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Selbstbildnis von Robert Campin auf Ring entdeckt  
  Robert Campin war ein bedeutender niederländischer Maler, dem zahlreiche Kunstwerke der altniederländischen Malerei zugeschrieben werden. Wie er selbst ausgesehen hat, war aber bisher unbekannt. Dem wurde nun durch einen Zufall abgeholfen: Ein deutscher Archäologe hat auf einem Gemälde Campins ein nur vier Millimeter großes Selbstporträt gefunden.  
Auf der Suche nach Vergleichsstücken
Bild: National Gallery London
Robert Campin, "A Woman", um 1435; The National Gallery, London
Sowohl die Geschichte der Entdeckung durch Mirko Gutjahr vom Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle (Sachsen-Anhalt) als auch die vermutliche Motivation des Malers, sein Porträt auf dem Ring im "Bildnis einer Frau" (entstanden um 1435) zu verstecken, lesen sich wie aus einem Roman:

Wie Gutjahr und der Landesarchäologe Harald Meller bei einer Pressekonferenz des Museums erzählten, haben sie für die Landesausstellung "Fundsache Luther" eigentlich nach Vergleichsstücken für einen Ring gesucht, der im Garten des Hauses von Martin Luther in Wittenberg gefunden worden war.

Man nahm an, dass der Ring Luthers Frau gehörte, wollte aber durch den Vergleich mit spätmittelalterlichen Darstellungen sicher gehen, dass es sich tatsächlich um ein Stück aus dieser Zeit handeln könnte. Also bestellten die Forscher ein Bild aus der Londoner National Gallery von Robert Campin, auf dem eine feine Dame ebenfalls einen Ring trägt (siehe Bild rechts).
Bild eines Mannes tauchte auf
 
Bild: Landesmuseum f¿r Vorgeschichte Halle

Um den Feinheiten des Rings auf den Grund zu gehen, wurde seine Darstellung mehrfach vergrößert, und dabei tauchte plötzlich das Bild eines Mannes mit Schnurrbart und lockigem Haar auf (siehe Vergrößerung oben).

Die Forscher sind sich sicher, dass es sich dabei um den Maler und nicht um den Ehemann der feinen Dame handelt. Denn von ihm ist ein Bild erhalten geblieben, und es zeigt einen mürrisch schauenden, bartlosen Mann mit rotem Turban.
Notorischer Ehebrecher
Höchstwahrscheinlich hat sich hier also Robert Campin selbst verewigt, was - berücksichtigt man die Lebensgeschichte des Malers - einen pikanten Hintergrund haben könnte: Campin war laut seiner Biografie ein notorischer "Ehebrecher" und wurde deswegen sogar einmal mit einer einjährigen Verbannung bestraft.

Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass der Maler sich im Gemälde einer seiner Geliebten verewigen wollte. Es gelang ihm, auf winzigstem Raum sein Porträt unterzubringen - eine Kunstfertigkeit, die laut dem Kunsthistoriker Wolfgang Schenkluhn von der Universität Halle als "Sensation" bezeichnet werden kann.

Campins Vorhaben war jedenfalls erfolgreich: Er ließ den Ehemann teuer für das Porträt seiner Frau zahlen, in dem er sich selbst verewigte. Und fast 600 Jahre blieb sein Trick unentdeckt.

Elke Ziegler, science.ORF.at, 3.9.08
->   Mehr über Robert Campin (Wikipedia)
->   Landesmuseum für Vorgeschichte Halle
 
 
 
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01.01.2010