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Wahrnehmung von Bewegung hängt vom Geschlecht ab  
  Allein aus der Art, wie sich Menschen bewegen, lässt sich auf ihr Geschlecht, ihr Alter und ihre Stimmung schließen. Das zeigen Experimente, bei denen Bewegungen ausschließlich durch leuchtende Punkte an den Gelenken dargestellt werden. Forscher haben nun herausgefunden, dass "Lichtmännchen" eher auf einen zuzukommen scheinen, "Lichtweibchen" sich eher entfernen.  
Für die Wissenschaftler rund um Rick van der Zwan von der australischen Southern Cross University sind derartige Schlüsse für soziale Wesen generell sehr nützlich, vor allem dann, wenn andere Informationen unklar sind. Über den Grund dieser geschlechtsabhängigen Interpretation können sie jedoch bis jetzt nur spekulieren.
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Der Artikel "Correlated changes in perceptions of the gender and orientation of ambiguous biological motion figures" von Anna Brooks et al. ist in der aktuellen Ausgabe von "Current Biology" (Bd. 18, 9.9.2008) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Bewegungen liefern viele Informationen
Bewegungsmuster sind für Menschen eine wichtige Informationsquelle. Um genauer zu untersuchen, welche Fakten sich daraus ableiten lassen, werden in der Wahrnehmungspsychologie Experimente mit "Lichtmännchen" durchgeführt. Dabei wird eine Person durch leuchtende Punkte an ihren Gelenken dargestellt. Im Stillstand kann man kaum erkennen, um was es sich handelt.

Sobald sich die Punkte bewegen, wird klar, hier geht ein Mensch. Vielmehr noch: Diverse Experimente mit solchen "Männchen" konnten zeigen, was man alles an der Bewegung erkennen kann. Der Gang liefert Hinweise auf das Geschlecht, das Alter und die Stimmung.
Die Figur schaut meist her
In vielen dieser Studien wurden laut van der Zwan vor allem Männer zur Darstellung der Bewegung verwendet. Dabei war ein interessantes Phänomen aufgetaucht: Auch wenn man anhand der Lichtpunkte eigentlich nicht beurteilen kann, ob die "Person" einen anschaut oder wegschaut, sehen sie die meisten Beobachter wie von vorne.

In der aktuellen Studie konnten die Forscher nun zeigen, dass das nicht immer der Fall ist, sondern eben nur dann, wenn es sich um eine männliche "Lichtgestalt" handelt.
Geschlecht bestimmt die Richtung




Durch Klicken gelangt man zu einer Animation des beteiligten "Biomotion Lab".

Im ersten Teil des Experiments mussten die beobachtenden Personen entscheiden, ob sie einen Mann oder eine Frau gehen sehen, danach mussten sie beurteilen, ob sich die Figur auf sie zu oder von ihnen weg bewegt. Die Männer wurden dabei immer(!) als entgegenkommend wahrgenommen, Frauen vorwiegend als sich wegbewegend.

Die Wahrnehmung war dabei völlig unabhängig vom Geschlecht des Beobachters. Auch zusätzliche optische Hinweise auf die jeweilige Gangrichtung wirkten sich nur sehr begrenzt auf die Ergebnisse aus.
Wahrnehmungsmuster sind sinnvoll
Für die Wissenschaftler rund um van der Swan ist die Ableitung von Informationen aus Bewegungen durchaus sinnvoll. Um sich in seiner sozialen Umwelt zurechtzufinden und seine zukünftigen Handlung auch in uneindeutigen Situation planen zu können, verwende der Mensch eben verschiedenste Hinweise, Bewegungen gehören dazu.

Um derartigen Wahrnehmungsmustern tiefer auf den Grund zu gehen, seien allerdings noch viele Untersuchungen notwendig. Dennoch wagen die Forscher eine evolutionäre Erklärung für das Ergebnis ihrer Studie: Dass die Beobachter in dieser Form vom Geschlecht der Figur auf die Bewegungsrichtung schließt, könnte eine sinnvolle Abwägung von Kosten und Nutzen sein.

Das heißt, einen Mann nimmt man sicherheitshalber als sich herbewegend wahr, um auf Flucht oder Kampf eingestellt zu sein. Umgekehrt ist aber zum Beispiel für Kinder die Mutter, die sich wegbewegt, das schlimmere Szenario: Auch darauf möchte man vorbereitet sein.

[science.ORF.at, 9.09.08]
->   The Biomotion Lab
->   Rick van der Swan
->   Southern Cross University
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at
->   "Cat Walk" und Westernheld: Was Bewegungsmuster verraten (18.7.03)
 
 
 
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01.01.2010