News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Technologie 
 
Synthetikbäume saugen Wasser  
  US-Forscher haben einen künstlichen Baum gebaut, der Wasser ähnlich gut transportiert wie seine natürlichen Vorbilder. Nachfolger des noch recht simplen Modells sollen in Zukunft zur Trinkwassergewinnung in trockenen Regionen eingesetzt werden.  
Abstraktes Gewächs
Eigentlich muss man den Baum, den Tobias Wheeler und Abraham Stroock nun in der Zeitschrift "Nature" (Bd. 408, S. 255) vorgestellt haben, als künstlichen Bonsai bezeichnen, denn er ist nur ein paar Zentimeter groß. Und rein äußerlich, auch das muss man zugeben, hat er mit seinen lebendigen Vorbildern wenig zu tun. Aber in physikalischer Hinsicht stehen Wurzelwerk, Stamm und Blätter des abstrakten Gewächses jenen der echten Pflanzen kaum nach.
Sog durch Verdampfung
Die beiden Biotechnologen von der Cornell University gingen in ihrer Studie der Frage nach, ob man den Wassertransport von Bäumen im Labor nachbauen kann. Im Prinzip ist das bereits früher gelungen, Brennstoffzellen und Systeme für Wärmetransport machen sich etwa einen ganz ähnlichen Mechanismus zunutze wie Eiche, Birke, Tanne und Co. Nur: Die Effizienz der künstlichen Systeme ließ bislang zu wünschen übrig.

Bäume hingegen sind in der Lage, Wasser bis zu einer Höhe von mehr als 100 Metern zu saugen und dabei die Gravitation sowie Reibungskräfte im Inneren des Stammes zu überwinden. Dahinter steht folgender Mechanismus: Wenn die Spaltöffnungen an den Unterseiten der Blätter geöffnet sind, verdunstet Wasser, was in den Leitungsbahnen des Baumes einen so genannten Transpirationssog erzeugt. Dieser Sog ist letztlich dafür verantwortlich, dass Wasser aus den Wurzeln nach oben steigt. Anschaulich kann man sich diesen Effekt so vorstellen, als würde jemand an den Blättern saugen und somit einen Unterdruck erzeugen.
Mehr als 10 Atmosphären
 
Bild: Tobias Wheeler

Die dabei wirkenden Kräfte sind durchaus beträchtlich. Ein 100 Meter großer Mammutbaum muss zwei bis drei Megapascal (etwa 20 bis 30 Atmosphären) überwinden, damit die Wassermoleküle von der Wurzel bis in die Blätter gelangen.

Wheeler und Stroock zeigen nun, das der Leistungsbereich ihres synthetischen Baumes (Bild oben rechts) ebenfalls 10 Atmosphären übersteigt - 100 Mal mehr als die bisherigen Systeme zu leisten imstande waren.

Das gelang nicht zuletzt durch die richtige Materiawahl: Der synthetische Bonsai besteht aus einem Hydrogel, das u.a. bei der Fertigung von weichen Kontaktlinsen eingesetzt wird. "Das Problem war bisher, richtig dimensionierte Poren zu finden", sagt Stroock. "Hydrogel besitzt Nanoporen, die natürlicherweise die richtige Größe für den Wassertransport aufweisen."
Autonome Pumpe
"Das ist ein hervorragendes Stück Arbeit", lobt die Harvard-Biologin Missy Holbrook die Entwicklung ihrer beiden Kollegen. Sie hat dabei vor allem didaktische Aspekte im Auge. Nachdem das Hydrogel im Gegensatz zu echten Bäumen transparent ist, "können wir nun erstmals sehen, was beim Wassertransport passiert", so Holbrook gegenüber der Zeitschrift "New Scientist".

Stroock hofft, dass größere Ausgaben der Synthetikbäume dereinst als Pumpe dienen werden. So ließe sich etwa Trinkwasser in trockenen Gebieten aus dem Boden holen, ohne dass dafür Energie aufgewendet werden müsste.

[science.ORF.at, 11.9.08]
->   Tobias Wheeler
->   Abraham Stroock
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Künstliche Knochen aus Metallpulver "gebacken"
->   Rote Blutkörperchen aus Kunststoff
->   Perlmutt inspiriert Materialforscher
->   Craig Venter schafft künstliches Bakterien-Genom
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Technologie 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010