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Politikerreden: Computer als Lügendetektor  
  Hört man die Wahlkampfreden so mancher Politiker, beschleicht einen oft das Gefühl, diese würden nicht die ganze Wahrheit sagen. Neue Software-Programme sollen in Zukunft helfen, die Aufrichtigkeit der Redner zu überprüfen, indem sie Sprache, Stimme und Gesichtsausdrücke analysieren.  
Mit Hilfe dieser Technologien haben Forscher nun Auftritte der US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten analysiert, wie der "New Scientist"(20.Dezember 2008, Bd.199) in seiner aktuellen Ausgabe berichtet.
Ausdruck und Inhalt widersprechen sich
Es kommt mitunter vor, dass sich der Gesichtausdruck eines Politikers sichtbar vom gesprochenen Inhalt unterscheidet. So habe etwa das Gesicht des demokratischen US-Präsidenten Bill Clinton während seiner Rede vor dem demokratischen Nationalkongress für den Bruchteil von Sekunden den Ausdruck von Ekel gezeigt, nämlich genau als er das Wort "Obama" aussprach. Das behauptet zumindest der amerikanische Psychologe Paul Ekman.

Dieser beschäftigt sich bereits seit 40 Jahren mit dem Verhältnis von Gesichtsausdruck und dem, was Menschen eigentlich denken. Laut ihm war die fast übersehbare Mimik in Clintons Gesicht ein Ausdruck der Missbilligung des verlorenen Vorwahlkampfs seiner Frau Hillary.

In den allermeisten Fällen seien aber Abweichungen der inneren Einstellung von den absichtvollen Äußerungen nicht so eindeutig sichtbar. Genau dabei können die neuen Technologien helfen.
Wahrheit wird beschönigt
Laut dem Mathematiker und Computerwissenschaftler David Skillicorn geht es dabei nicht um echte Lügen, sondern um eine Beschönigung der Wahrheit. Um das zu erkunden, hat er einen eigenen Algorithmus erfunden, der die Verwendung von Wörtern innerhalb eines Textes evaluiert.

Dabei zählt er etwa die Verwendung von Personalpronomen: "Ich" etwa wird als aufrichtiger als "wir" beurteilt. Weiters zählt er, wie häufig echte Erklärungen im Gegensatz zu allgemeinen Statements sowie verschiedene Verbtypen, die auf eine Verschleierung hindeuten, verwendet werden.
Große Unterschiede bei den Kandidaten
Skillicorn hat mit seiner Software 150 Reden des laufenden US-Wahlkampfs analysiert. Und tatsächlich: Obwohl alle ihre Texte von professionellen Schreibern verfassen lassen, ergab seine Methode große Unterschiede. Das heißt, die Kunst der Verschleierung beherrschen nicht alle gleich gut. Einen besonderen Einfluss auf den Wahrheitsgehalt hatte auch die Art der Veranstaltung.

Die größte Tendenz zu einer beschönigten Wahrheit hatte demnach Barack Obama. Scheinbar stützt die Analyse die Selbstbeschreibung von McCain, der sich als "gerade heraus" bezeichnet. Das muss laut den Forschern für den Redner aber nicht unbedingt ein Vorteil sein, da sich mit einer unauffälligen Beschönigung manches Problem ganz gut verschleiern lasse.
Stimme und Mimik sorgt für Emotionen
Außerdem kann die "aufrechte" Rede mitunter auch etwas flach und langweilig sein, so die Schweizer Wissenschaftlerin Branka Zei Pollermann vom Vox-Institut in Genf. Sie analysierte Stimmen und Mimik der Politiker. Demnach erinnere die Stimme von McCain an die eines klinisch Depressiven. Das könnte auch die Zuhörer depressiv machen.

Darüber hinaus ändere er seine Tonhöhe kaum, wodurch nur wenige Emotionen "rüberkommen" können. Seine Stimme passe auch oft nicht zu seinem Ausdruck. Alles zusammen könnte zu einer geringeren Glaubwürdigkeit führen.

Obama verändert laut Pollermann die Tonhöhe deutlich öfter und sein Gesichtausdruck passt zu dem, was er sagt. Außerdem runzle er gern seine Augenbrauen, womit er Betroffenheit signalisiert.

Noch sind die Möglichkeiten, Lügen zu entdecken, beschränkt. Die Forscher aber sind zuversichtlich, dass die Technik eines Tages Ausdruck und Sprache noch besser interpretieren wird können. Möglicherweise auch auf Details hin, die für den Menschen gar nicht mehr sichtbar sind.

[science.ORF.at, 18.09.08]
->   NewScientist
->   Paul Ekman
->   David Skillicorn
->   Vox-Institut
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01.01.2010