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Der akustische Fingerabdruck der Stradivari  
  Lange schon suchen Forscher nach einem Unterscheidungsmerkmal von Spitzengeigen und mediokren Produkten. Ein US-Physiker wurde nun fündig: bei der sogenannten Radiativität des Schalls.  
"Titian" im Vergleich mit Dutzendgeigen
Auch wenn Musikkenner behaupten, dass der Klang einer Stradivari unvergleichlich sei - objektiv, sprich: mit messbaren akustischen Eigenschaften lässt sich dieser Unterschied zu herkömmlichen Instrumenten gar nicht so einfach festmachen. George Bissinger von der East Carolina University in Greenville, North Carolina, hat immerhin zehn Jahre gebraucht, um eine entsprechende Größe zu finden.

Er verglich im Rahmen seiner letzten Studie drei besonders edle Geigen, die "Titian" und "Willemotte" von Antonio Stradivari sowie die "Plowden" von Guarneri del Gesu, mit 14 anderen Produkten von der Mitte bis zum unteren Ende des Qualitätsspektrums. Dabei untersuchte er z.B. die Dämpfungs- und Vibrationseigenschaften des Geigenkörpers, seine Flexibilität sowie die bevorzugte Ausbreitungsrichtung des Schalls.

All diese Größen konnten keine eindeutige Trennlinie zwischen den exzellenten Geigen aus dem 18. Jahrhundert und neueren Produkten liefern. Einzig die Radiativität (die Ausbreitung des Schalls bei einer gegebenen Krafteinwirkung auf die Saiten) war in tiefen Tonlagen ein robustes Unterscheidungsmerkmal, wie Bissinger im "Journal of the Acoustical Society of America" berichtet (Bd. 124, S. 1764).
Wohlklang durch satten Bass
Auch wenn diese eine Größe nicht das musikalische Expertenurteil ersetzen wird, dürfte sie in der Tat etwas mit dem Wohlklang der Instrumente zu tun haben. Denn die besonders starke Resonanz im Tieftonbereich sei zumindest teilweise für die Reichhaltigkeit und Anmut des Klanges verantwortlich, sagt Bissinger gegenüber dem Onlinedienst von "Nature": "Geiger mögen generell große Töne im tiefen Bereich."

Gleichwohl ist auch Bissinger der Meinung, dass der wichtigste Klangfaktor der Musiker und nicht das Instrument sei - und verweist auf eine Anekdote über den legendären Geiger Jascha Heifetz, der auf einer del Gesu gespielt hat.

Heifetz wurde einmal nach dem Konzert von einem enthusiastischen Fan zu dem "wunderschönen Klang" beglückwünscht, den seine Geige an diesem Abend gehabte habe. Dieser beugte sich daraufhin über sein Instrument, hielt sein Ohr daran und sagte: "Ich höre nichts."

Robert Czepel, science.ORF.at, 3.10.08
->   George Bissinger
->   Antonio Stradivari - Wikipedia
->   Guarnerius del Gesu - Wikipedia
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01.01.2010