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Der jahrelange Streit hinter dem Medizinnobelpreis  
  Jahrelang haben die Mediziner Luc Montagnier und Robert Gallo darum gestritten, wer den HI-Virus entdeckt hat. Nun hat der eine den Nobelpreis bekommen, und der andere ist enttäuscht.  
Verdient hätte die Auszeichnung auch Robert Gallo, meinte der Franzose Montagnier in einer ersten Reaktion am Montag.
Streicheleinheiten der ehemaligen Kontrahenten
"Ich gratuliere den diesjährigen Nobelpreisgewinnern", zeigte sich auch Robert Gallo versöhnlich, gab aber zu enttäuscht zu sein, dass er selbst nicht ausgezeichnet worden ist.

Er sei "erfreut", dass seinem langjährigem Freund und Kollegen Luc Montagnier sowie dessen Kollegin Francoise Barre-Sinoussi die Ehre zu Teil geworden ist.

Und dann: "Ich bin dankbar für Dr. Montagniers freundliche Worte, wonach ich (den Preis) ebenso verdiene."
Die Vorgeschichte: Die Entdeckung ...
Bei der fieberhaften Suche nach dem Erreger der 1981 erstmals beschriebenen Immunschwäche gelang Montagnier vom Pasteur-Institut in Paris die Isolierung eines Virus, das er zunächst LAV nannte.

Er schickte eine Probe davon zu Forschungszwecken an seinen Kollegen Gallo von den amerikanischen Gesundheitsbehörden (National Institutes of Health, NIH).
... eines tödlichen Virus
Gallo war es dann, der 1984 weltweit für Schlagzeilen sorgte: Das US-Gesundheitsministerium gab bekannt, dass dem Wissenschaftler die Entdeckung des Aidsvirus (damals noch HTLV-III genannt) gelungen sei.

Er habe es sogar geschafft, einen Bluttest für Patienten zu entwickeln. Der charmante und wortgewandte Gallo wurde von Kollegen und Medien gefeiert - bis sich herausstellte, dass HTLV-III und LAV identisch sind.

Seitdem beschäftigten sich Experten und Medizinhistoriker mit der Frage: Wurden Gallos Proben aus Versehen mit LAV "angesteckt", oder hat der US-Forscher gar gestohlen?
Wissenschaftlicher Friedensvertrag 1994
Der Streit ging bis in höchste politische Kreise. Der damalige US-Präsident Ronald Reagan und der französische Regierungschef Jaques Chirac vereinbarten 1987 eine Aufteilung der Einnahmen von Bluttests, die auf der Entdeckung des Virus basierten.

Erst im Sommer 1994 wurde eine Art "wissenschaftlicher Friedensvertrag" geschlossen. Er sprach beiden Seiten die gleichen Einnahmen aus dem Patent für den Aidstest zu.

Den Konsens fasste Harold Varmus, damals Direktor der US-Gesundheitsbehörden (NIH), so zusammen: "Forscher der NIH benutzten ein Virus, das ihnen vom Pasteur-Institut zur Verfügung gestellt worden war, um einen amerikanischen Aidstest zu entwickeln."
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Montagnier tut Gallo leid
In einem Interview mit der US-Zeitschrift "Science" meinte Montagnier: "Es tut mir leid für Robert Gallo. Es war wichtig zu beweisen, dass HIV Aids verursacht, und Gallo hat dabei eine wichtige Rolle gespielt."
->   Science über den Medizinnobelpreis 2008
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Beide hätten es verdient
Mit Blick auf den am Montag nur nach Frankreich vergebenen Nobelpreis sagte Joachim Denner vom Robert Koch-Institut in Berlin: "Für alle, die ihn bekommen haben, ist es ein verdienter Preis. Es wäre aber diplomatischer gewesen, Gallo einzubeziehen."

Gallo habe noch viele Jahre sehr intensiv an dem Thema weitergearbeitet, die Franzosen dagegen deutlich spärlicher.
Das Nobelkomitee hat gesprochen
Bertil Fredholm, Chef des Nobelkomitees, hatte am Montag keinerlei Zweifel bei der Bewertung: "Es kann als klar erwiesen angesehen werden, dass die Entdeckung in Frankreich gemacht worden ist. Und wenn es darum geht, wer eines Nobelpreises würdig ist, sind wir Experten."

[science.ORF.at/dpa/AP, 7.10.08]
->   Die Nobelpreisträger 2008
->   Luc Montagnier (Who is Who)
 
 
 
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01.01.2010