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Wissenschaftsvermittlung: Kunst als Inspiration  
  Kunst- und Kulturwissenschaften lassen sich meist leicht an ein breites Publikum vermitteln. Allein viele Forscher scheuen sich davor - aus Angst vor mangelnder Wissenschaftlichkeit. Die Wiener Kunsthistorikerin Maria Welzig fordert auf, sich dennoch dieser Herausforderung zu stellen. Sie plädiert dafür, bei der Aufbereitung der wissenschaftlichen Arbeit von den Forschungsobjekten selbst - der "Kunst" und den "Künstlern" - zu lernen. Ein riesiges Potenzial zur Vermittlung biete dabei das Internet.  
Wissenschaft sprechen - von der Kunst lernen
Von Maria Welzig

Allgemein verständlich "Wissenschaft zu sprechen" hat für viele Disziplinen meist zwei Schwierigkeiten: Inhalte, die einem Nicht-Fachmann schwer zugänglich sind, und fehlendes zündendes Bildmaterial. Kunst- und Kulturhistoriker dagegen haben oft alle Voraussetzungen in der Hand für eine breiter verständliche Darstellung ihres Themas. Sie können aus dem Vollen schöpfen, was narrative Inhalte und Bildmaterial betrifft.

In ihrem Metier mischen daher viele Nicht-Fachleute mit. Schnell zusammengestellte Bildbände und Publikationen ohne Quellenforschung - welche aber Grundlage jeder profunden Untersuchung ist - handeln oft jene Themen ab, für die es einen "Publikumsmarkt" gibt.
Rückzug auf eigenes Terrain
Rein wissenschaftlich tätige Kunstforscher verfolgt daher eher die Angst, bei Darstellungen, die das breite Publikum erreichen sollen, zu populär, nicht wissenschaftlich genug zu sein. Dieser kleine Kreis reagiert darauf vielfach mit Rückzug auf das Terrain eines traditionellen Wissenschaftsverständnisses.

Man bleibt - auch in der Wahl der Publikationsformate - lieber unter sich, innerhalb der Fachwelt. Die Vermittlung, die Entwicklung publikumsfreundlichere Formate überlässt man Anderen. Eine einigermaßen luxuriöse Einstellung.
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Symposium "Sprache in der globalisierten Welt"
Im Zuge der Initiative "Sprechen Sie Wissenschaft?" - getragen vom BMWF und der Ö1 Wissenschaftsredaktion - findet am 16. Oktober 2008 um 16 Uhr im RadioKulturhaus (Argentinierstraße 30a, 1040 Wien) eine Symposium zur "Sprache in der globalisierten Welt" statt. Experten diskutieren über die Veränderungen der Sprache in der globalisierten Welt und ihre Auswirkungen auf Politik, Medien und Wissenschaft.
->   Mehr über die Veranstaltung
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Alternativen zu "bürgernaher" Sprache
Im Kulturveranstaltungs- und -publikationssektor ist wenig Geld vorhanden - und wenig Zeit zu forschen. Wer dagegen das Privileg hat, mit Forschungsgeldern umfassend und tief gehend eine kulturgeschichtliche Materie untersuchen zu können, sollte sich offensiv einschalten, um substanzielle Forschungsergebnisse und das profunde Wissen um die Zusammenhänge so darzustellen, dass es weitere Kreise anspricht.

In zwei der größten Arbeitsgebiete für Kunsthistoriker, im (Kultur-)Tourismus und mittlerweile zum Teil auch im großen traditionellen Museums- und Ausstellungsbetrieb, herrscht nicht selten eine Klischee bedienende Darstellung und Sprache vor. Es gilt, eine differenziertere und subtilere Sicht und Interpretation zu behaupten, Alternativen zu entwickeln gegenüber einer aussagelosen, "bürgernahen" Werbesprache. Eine "Seminararbeiten-Sprache" wird sich andererseits dafür wenig eignen.
Vorteil: Text- und Bildkompetenz
Kunstwissenschaftlern kommt bei der Darstellung ihrer Arbeit ein wesentlicher Faktor entgegen: Sie haben sowohl Text- als auch Bild-Kompetenz. Entscheidend, angesichts einer "Lesewelt", die heute gänzlich durch die Verknüpfung von Text und Bildebenen prägt ist.

Kunstwissenschaftler haben es mit einem Forschungsgegenstand - Kunst und Künstlern - zu tun, dem Subjektivität, Individualität und Außerkraftsetzen von Konventionen eigen sind. Dem (Wiener) Kunstwissenschaftler wird/wurde in seiner Ausbildung meist das Gegenteil verordnet: peinliche Objektivität, abstrahierte Ableitungen, Ausschalten persönlich-biographisch-emotionaler Faktoren.
Schnittstelle Kunst / Wissenschaft
Die berühmte Wiener Schule der Kunstgeschichte etablierte diese Disziplin vor über einem Jahrhundert als eigenes wissenschaftliches Fach mit streng Disziplin-immanenten Gesetzen. Die heutigen Herausforderungen sind in dieser Hinsicht andere.

Im Kunstbereich besteht seit geraumer Zeit großes Interesse an Wissenschaft und Forschung, an wissenschaftlichen und forschenden Strategien im Zusammenhang mit künstlerischer Arbeit. Umgekehrt wäre es für die Kunstgeschichte an der Zeit, sich für künstlerische Zugangsweisen zu öffnen.
Einbezug künstlerischer Strategien
Das betrifft einerseits die Fragestellungen, in denen ungewöhnliche Blickpunkte, neue Verbindungen und unkonventionelle Ansätze ertragreich sein könnten. Deklarierte Subjektivität und persönlicher Ausdruck des Forschers würden vielleicht manchmal zu substanzielleren Ergebnisse führen. Eine unvoreingenommene, tief gehende Sicht der Welt, wie sie der Kunst eigen ist, steht auch der Kunstwissenschaft an.

Die mögliche Einbeziehung künstlerischer Strategien betrifft aber auch die Darstellungsweise von Forschungsergebnissen. Wenn sich naturwissenschaftliche oder technische Disziplinen künstlerische Interpretationen für die Vermittlung ihrer Forschung zunutze machen, sollte das die Kunstgeschichte allemal auch tun.
Vermittlung an breiteres Publikum
Auch der Aufbau eines Textes kann sich in struktureller Logik, in der Konzentration auf das absolut Wesentliche, in der eindrücklichen Wirkung an seinem Forschungsgegenstand - Kunst und Architektur - orientieren. Der Kunstgeschichte kommt heute als Teil ihrer Disziplin geradezu die Aufgabe zu, Wissen, Erkenntnis und Zusammenhänge für ein interessiertes Publikum außerhalb des kleinen Fachkreises zu eröffnen.

Manche kulturhistorischen Themen fordern besonders zu einer breiteren Vermittlung auf. So etwa ein Forschungsprojekt zur "Wiener Hofburg", das derzeit an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften umfassend bearbeitet wird. Das Thema ist prominent, vielseitig und von zentraler architektur-, kultur- und gesellschaftspolitische Bedeutung. Das Hofburg-Areal - inklusive Museumsquartier, den ehemaligen Hofstallungen - ist der touristisch wichtigste Ort Österreichs.
Ideales Medium: Internet
Eine entsprechende Präsentation im Internet muss hier selbstverständlich sein - und wäre wohl auch nachgefragt - vom Tourismus bis zum Schulunterricht.

Die von (Geistes)Wissenschaftlern oft beklagten Bedingungen des Mediums Internet - die Kürze der Texte, die "nicht-lineare" Abhandlung - sind vielleicht in Wirklichkeit adäquate Vorgaben. Vorgaben, die zu einer pointierten Auswahl und zu einer bereits aussagekräftigen schlaglichtartigen Beleuchtung führen.

Man braucht es ja auch nicht immer auf die Nicht-Fachleute schieben: Welcher Experte hält als Leser denn selbst lange Text-Abhandlungen durch? Für welche Dauer vermag ein wissenschaftlicher Text unsere Aufmerksamkeit zu fesseln?

Das Medium Internet bietet auch die Möglichkeit, die reichen Funde an Fotos, Filmen, Tondokumenten einzubauen. Das sind die Mittel, um Wissens-Inhalte auch an weitere Kreise, (junge) Leser, Zuhörer, Zuschauer vermitteln.

[10.10.08]
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Über die Autorin
Die Wiener Kunsthistorikerin Maria Welzig leitet derzeit im Rahmen einer Gesamtuntersuchung zur Wiener Hofburg an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) das vom FWF geförderte Forschungsprojekt über die Entwicklung der Wiener Hofburg seit 1918 - "Von der Residenz zum Museumsquartier". Welzig hält auch eine Gastprofessur an der Universität für Angewandte Kunst, in der Klasse "Fotografie und digitale Medien".
->   Maria Welzig
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->   Initiative "Sprechen Sie Wissenschaft?"
->   Alle Beiträge der Serie "Sprechen Sie Wissenschaft"
->   FWF-Projekt: "Von der Residenz zum Museumsquartier"
 
 
 
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01.01.2010