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Genvariante macht Übergewicht vorhersagbar  
  Naschkatzen wissen, dass Süßigkeiten glücklich machen. Die Erklärung der Biologen dafür lautet: Beim Essen werden Glücksbotenstoffe im Gehirn ausgeschüttet. Bei manchen Menschen ist dies aber weniger der Fall als bei anderen. Sie müssen deshalb mehr essen, um die gleichen Glücksgefühle zu erzielen, und neigen deshalb auch eher zur Dickleibigkeit. Mitverantwortlich dafür ist eine bestimmte Genvariante, berichten Mediziner.  
In ihrer Studie haben Eric Stice vom Oregon Research Institute und seine Kollegen für den Zeitraum von einem Jahr auch korrekt vorhergesagt, wie das Gen mit der tatsächlichen Gewichtszunahme korreliert.
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Die Studie "Relation Between Obesity and Blunted Striatal Response to Food is Moderated by TaqlA1 A1 Allele" ist am 17.10.08 in "Science" erschienen (Bd. 322, S. 449).
->   Abstract der Studie
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Viele Ursachen für Dickleibigkeit
Übergewicht hat viele Ursachen, kulturelle wie auch genetische. In der aktuellen Studie haben die Mediziner um Stice den Zusammenhang zwischen der Aktivierung des Belohungszentrums im Gehirn und dem Essen von Süßigkeiten untersucht.

Dafür haben sie zwei Gruppen gebildet: Die eine bestand aus 43 18- bis 22-jährigen Frauen mit einem durchschnittlichen Body-Mass-Index von 28,6. Die andere aus 33 Mädchen zwischen 14 und 18 Jahren mit einem Durchschnitts-BMI von 24,3 - die Teilnehmerinnen waren also leicht oder stark übergewichtig.
Weniger Dopaminrezeptoren, weniger Genuss
Zudem verfügten einige von ihnen über eine Genvariation namens A1, die mit einer geringeren Anzahl von Dopamin-(D2)-Rezeptoren im Gehirn in Verbindung steht.

Dopamin ist jener Botenstoff im Gehirn, der Glücksprozesse in den Nervenzellen begleitet - ausgelöst nebst anderem durch das Essen von Süßigkeiten. Der Grad des Genusses hängt direkt mit der Ausschüttung von Dopamin zusammen.

Schon von früheren Studien war bekannt, dass dickleibige im Vergleich zu schlanken Menschen weniger D2-Rezeptoren haben. Den geringeren Genuss, den sie beim Essen verspüren, versuchen sie zu kompensieren, indem sie ganz einfach mehr essen.
Ein Test für Naschkatzen
Bild: Sonja Theodora Petronella Stoor
Es blitzt im dorsalen Striatum
Die konkreten Experimente waren nun zum Teil etwas für echte Naschkatzen: Die Probandinnen bekamen - nach verordneter Hungerpause vier Stunden vor dem Laborbesuch - entweder einen Schokolade-Milkshake zu trinken oder eine geschmacklose, speichelähnliche Flüssigkeit.

Mit Hilfe des bildgebenden Verfahrens der funktionellen Magnetresonanz (fMRI) wurde dann die Reaktion einer bestimmten Gehirnregion untersucht (siehe Bild rechts).

Das sogenannte dorsale Striatum war dabei bei dickeren Frauen viel weniger aktiviert als bei den dünneren Frauen, d.h. es wurde weniger Dopamin ausgeschüttet. Jene Frauen mit der A1-Version des Dopamin-Rezeptorgens zeigten die geringste Reaktion auf den Genuss des Milkshakes.
Erfüllte Prophezeiungen
Doch damit nicht genug. Aufgrund des genetischen "Make-Ups" der Frauen konnten die Forscher auch vorhersagen, wie sich ihr Gewicht in den kommenden Monaten entwickeln würde.

Sie verglichen den BMI ein Jahr lang nach dem Labortest und behielten recht: Jene Frauen, mit der A1-Genvariante bzw. mit der geringeren Aktivierung des Striatums hatten eine größere Wahrscheinlichkeit an Gewicht zuzulegen.
Risikofaktor für Dickleibigkeit
So sehr die Forscher betonen, erstmals "auf Genen beruhende Prophezeiungen der Gewichtszunahme" positiv überprüft zu haben, so vorsichtig sind sie bei der Verallgemeinerung ihrer Resultate.

Da ihre Experimente ausschließlich mit Frauen durchgeführt wurden, bedürfe es weiterer Studien, um Aussagen auch für Männer treffen zu können.

In einem aber sind sie sicher: Wenn das Gehirn im Bereich des dorsalen Striatums beim Essen nur wenig "aufblitzt", liegt ein klarer Risikofaktor für Dickleibigkeit vor.

[science.ORF.at, 17.10.08]
->   Eric Stice, Oregon Research Institute
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01.01.2010