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Ethik und Essen in der Ernährungswissenschaft  
  In fünf Minuten sterben weltweit 43 Kinder, weil sie verhungern. Dabei würde die weltweite Nahrungsmittelproduktion zumindest rechnerisch reichen, um alle Erdenbürgerinnen und -bürger zu ernähren.  
Das rechnet der Verband der Ernährungswissenschaftler Österreichs vor.

"Ethik und Essen" hat abgesehen von der ungerechten Verteilung zwischen arm und reich viele Aspekte. Sie werden bei in einer Tagung des Ernährungswissenschaftler-Verbandes in Wien diskutiert.
Ethik in der Industrie
Wenn es billiger ist, Krankenstände von Bäckergehilfen in Kauf zu nehmen als Maschinen zu reparieren - wie es der deutsche Undercover-Journalist Günter Wallraff berichtete -, oder wenn Millionen Küken am Fließband nach produktiven Legehennen und (untauglichen) Männchen aussortiert werden - wie ethisch kann die großindustrielle Lebensmittelproduktion überhaupt sein?

Dazu meint der Philosoph Ulrich Metschl von der Ludwig-Maximilians-Universität München: "Es gibt vieles im Arbeitsschutz, das augenfällig ist - Produktionsbedingungen in Bäckereien beispielsweise. Zum zweiten ist sicherlich die Massentierhaltung ein ethisches Problem. Aber das hängt alles damit zusammen, dass ein großer Wettbewerbsdruck auf der beteiligten Industrie lastet."
Ethik in der Nachfrage
Er als Philosoph sehe die Verantwortung eher beim Konsumenten, bei der Konsumentin, ethisch korrektes Essen einzufordern bzw. bewusst mit Nahrung umzugehen:

"Wenn man bedenkt, dass in Großbritannien derzeit laut Schätzungen 25 Prozent der gekauften Lebensmittel einfach weggeworfen werden, dann ist das schon ein merkwürdiger Umgang mit Lebensmitteln. Andererseits wird es den Verbrauchern und Verbraucherinnen auch leicht gemacht, dadurch dass die Dinge sehr aggressiv vermarktet und beworben werden. Auch durch Überangebot wird es dem Verbraucher leicht gemacht, so damit umzugehen, weil die Industrie so viel Menge in den Markt drückt."
Ethik im Konsum
Wenn also die Verbraucher gefordert sind, was heißt dann "ethisch korrekt essen"? Für die Ernährungswissenschaftlerin und Ethnologin Erika Lasser bedeutet es "umweltverträglich, sozial und kulturell verträglich".

"Vielleicht könnte man beim Einkaufen Mut zur Zivilcourage haben und wenn man weiß, dass die Verkäuferinnen in einzelnen Supermärkten, Bäckereien usw. zu schlechten Bedingungen arbeiten, dass man auch aufsteht und das auch sagt. Das kulturelle betrifft unsere Berufsgruppe in der Ernährungsberatung sehr stark: wenn ich Tipps gebe, wie man die Ernährung ausschauen soll, muss ich bescheid wissen, aus welcher Kultur kommt die Klientin, welcher Religion gehört sie an", meinte sie im ORF-Radio.

Alles zu berücksichtigen - biologisch, ethisch korrekt, sozial verträglich, regional, saisonal, fair gehandelt etc. - ist vermutlich schwer unter einen Topfdeckel zu bringen, doch die Ernährungswissenschaftlerin ermuntert, grundsätzlich aufmerksamer mit Nahrung umzugehen: nicht lustfeindlich aber kritisch.

Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft, 17.10.08
->   Verband der Ernährungswissenschaftler Österreichs
->   Ulrich Metschl
->   Erika Lasser
->   Günter Wallraff
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Infos für mehr ökologische und "faire" Textilien
->   Buch: Warum wir essen, was wir essen
 
 
 
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01.01.2010