News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Studie: Mit warmen Händen wird milder geurteilt  
  "Wärme" ist für Menschen nicht nur ein physikalischer Zustand. Das Wort steht auch für Nähe, symbolisiert etwas Angenehmes und Vertrautes. Forscher haben nun untersucht, ob die mehrfache Bedeutung des Wortes "Wärme" einen realen Hintergrund hat. Das Ergebnis: Schon eine Tasse warmer Kaffee, die uns ein Fremder beim Kennenlernen in die Hand drückt, lässt Menschen generell vertrauenswürdiger erscheinen.  
Es gibt eine Verbindung zwischen rein physikalischer Wärme und der Wärme zwischen Menschen, schlussfolgern Lawrence E. Williams (Universität Colorado) und John A. Bargh (Universität Yale). Durch Wärmeempfindung sahen Versuchspersonen nicht nur das direkte Gegenüber in einem positiveren Licht, sondern sie dachten auch mitfühlender an andere.
...
Die Studie "Experiencing Physical Warmth Promotes Interpersonal Warmth" ist am 24. Oktober 2008 in "Science" erschienen (Band 322, S. 606f, DOI:10.1126/science.1162548).
->   Zum Abstract
...
"Warme" und "kalte" Menschen
"Wärme" und "Kälte" gehören laut Psychologen zu den grundlegenden Kategorien, nach denen Menschen andere beurteilen. Ob jemand einen warmen oder kalten Eindruck auf uns macht, hilft bei der Entscheidung, ob weiterer Kontakt erwünscht und sinnvoll ist oder nicht.

Herleiten lasse sich diese große Bedeutung der Wärme aus der Kindheit, waren sich Forscher schon in früheren Studie sicher. Schon in dieser Phase wird das Empfinden physikalischer Wärme etwa durch Körpernähe mit Wärme im übertragenen Sinn von Geborgenheit in Verbindung gebracht.
...
Wärme vor Nahrung
Anhand von Makaken-Jungen überprüfte der US-amerikanische Psychologe und Verhaltensforscher Harry Harlow schon in den 1950er Jahren, welche Bedeutung Wärme für die Entwicklung hat. Er stellte die Tiere vor die Wahl, als Mutterersatz mit einer stoffbespannten, gewärmten oder einer aus Draht nachgebildeten, kühlen Affenattrappe zu kuscheln. Die Affen wählten immer die Stoffnachbildung, selbst dann, wenn sie nur von der Drahtfigur Milch bekamen - ein Hinweis auf die große Bedeutung von Wärme beim Aufbau einer funktionierenden Eltern-Kind-Beziehung.
->   Mehr zur Arbeit von Harry Harlow
...
Gehirnforschung bestätigte Annahmen
Jüngste Hinweise auf die enge Verbindung zwischen körperlich und "seelisch" empfundener Wärme kamen aus der Gehirnforschung, führen Williams und Bargh in ihrer Studie aus: Dort konnte in Versuchen gezeigt werden, dass die Inselrinde, ein Teil der Großhirnrinde, für die Verarbeitung von physischem und psychologischem Wärmeempfinden zuständig ist.

In der aktuellen Studie wollten der Wirtschaftswissenschaftler Williams und der Psychologe Bargh überprüfen, ob das Empfinden von Wärme unbewusst die Einschätzung und Beziehung zu anderen Menschen beeinflusst und konstruierten dazu zwei Experimente.
1. Versuch: Warme Hände durch Kaffee
In einem ersten Versuch gaben die Forscher 41 Frauen eine Tasse Kaffee zu halten, während sie deren Personalien notierten. Manchmal war der Kaffee heiß, manchmal kalt. Anschließend bekamen die Probandinnen eine Kurzbeschreibung eines Menschen.

Frauen, die zuvor den heißen Kaffee gehalten und daher warme Hände hatten, urteilten deutlich positiver über die beschriebene Person als jene Frauen mit kalten Händen. Die körperliche Wärme führte dazu, dass die Frauen den Beschriebenen als selbstloser und liebevoller einschätzten, folgern die Forscher.
2. Versuch: Geschenk für sich selbst oder Freund
Ein zweiter Versuch zeigte, dass die physische Wärme auch das Verhalten der befragten Personen beeinflusst. Hier sollten die Probanden als Lohn für die Teilnahme am Experiment entweder ein kleines Geschenk für sich selbst oder einen Geschenkgutschein für einen Freund aussuchen.

Probanden mit warmen Händen wählten deutlich häufiger das Geschenk für einen Freund. Jene mit kalten Händen beschenkten sich vorzugsweise selbst.
Anwendung im Marketing?
Neben den Rückschlüssen, die die Ergebnisse auf die zwischenmenschliche Interaktion zulassen, könnten sie auch etwa im Marketing anwendbar sein, meint Lawrence Williams in einer Aussendung der Universität Colorado: Wärmende Werbegeschenke etwa könnten Konsumenten für ein neues Produkt milde stimmen.

[science.ORF.at, 24.10.08]
->   John A. Bargh
Mehr über zwischenmenschliche Beziehungen in science.ORF.at:
->   Töchter brauchen vertrauensvolle Mütter
->   Fremde werden in Millisekunden-Schnelle beurteilt
->   Selbstvertrauen fördert Sprachkompetenz
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010