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Bakterienforschung: Frauenhände bevorzugt  
  Frauen haben mehr Bakterien an den Händen als Männer, zeigt eine Studie von US-Forschern. Sie vermuten, dass der saure Schweiß der Männer für diesen Unterschied verantwortlich ist.  
Streit um die Hygiene
"Sollten Sie aber, Herr Hofrat, ohne meine Lehre widerlegt zu haben, fortfahren, Ihre Schüler und Schülerinnen in der Lehre des epidemischen Kindbettfiebers zu erziehen, so erkläre ich Sie vor Gott und der Welt für einen Mörder." Diese deutlichen Worte richtete Ignaz Semmelweis anno 1861 an seinen Fachkollegen Friedrich von Scanzoni, der Semmelweis' neuartige Hygienevorschriften an Krankenhäusern als Humbug abgetan hatte.

Der offene Brief des österreichisch-ungarischen Arztes verfehlte seine Wirkung, Semmelweis sollte die allgemeine Anerkennung seiner Ideen nicht mehr erleben. Heute freilich gehört seine Erkenntnis, dass das Händewaschen das Infektionsrisiko bei Patienten senkt, zum medizinischen Arbeitsalltag. An unseren Händen tummeln sich unzählige Bakterien - pro Quadratzentimeter sind es mehr als zehn Millionen - und nicht alle sind ungefährlich, wie das Beispiel des Kindbettfiebers lehrt.
Haut als Ökosystem
Noah Fierer von der University of Colorado in Boulder setzt in seiner Arbeit dort fort, wo Semmelweis vor mehr als 150 Jahren begonnen hat, wenngleich sich Betrachtungsweise und Methoden seitdem radikal gewandelt haben: Fierer arbeitet nicht etwa an einem medizinischen Institut, sondern am Ökologie-Department seiner Universität, für ihn ist die bunte Bakteriengemeinschaft auf unserer Haut ein Ökosystem par excellence.

Nur waren die Eckdaten dieses Ökosystems bislang keineswegs bekannt, weswegen Fierer nun die Hände von 51 Studenten und Studentinnen genauer unter die (genetische) Lupe genommen hat.
Tropische Hände
Wie er in den "Proceedings of the National Academy of Sciences " (doi: 10.1073/pnas.0807920105) berichtet, sind unsere Handinnenflächen quasi der tropische Regenwald der Epidermis: Satte 4.700 verschiedene Bakterienarten fanden sich auf den 102 analysierten Händen. Interessanterweise dürfte aber das bakterielle Profil eine recht individuelle Angelegenheit sein, denn davon kamen nur fünf auf allen Händen vor.

Selbst zwischen rechter und linker Hand derselben Testperson gab es beträchtliche Unterschiede. Die Übereinstimmung betrug, nach Arten gerechnet, lediglich 17 Prozent - was nicht viel mehr ist als die Deckung zweier zufällig ausgewählter Hände, nämlich 13 Prozent.
Überraschende Vielfalt
"Die schiere Zahl der Bakterienarten, die wir auf Handinnenflächen entdeckt haben, war eine große Überraschung", sagt Fierer. "Das Gleiche gilt für die Erkenntnis, dass Frauen mehr Bakterienarten auf ihren Händen tragen als Männer."

Die Unterschiede im Artenspektrum könnte man mit dem pH-Wert des Schweißes erklären. Jener von Männern ist nämlich in der Regel saurer, und aus Studien an anderen Ökosystemen weiß man, dass ein niedriger pH-Wert der Bakterienvielfalt eher abträglich ist.

Das muss aber nicht die einzige Erklärung sein. Die Geschlechterdifferenz könnte auch mit der Schweißmenge, mit Hormonen und der Hautdicke zu tun haben. Und nicht zuletzt könnten auch Kosmetika eine Rolle spielen - Seifen eher ausgenommen, denn Händewaschen beeinflusst der Studie zufolge die bakterielle Vielfalt kaum.
Was Waschen bewirkt
Gegen den regelmäßigen Griff zur Seife spricht das allerdings nicht, im Gegenteil: "Die große Mehrzahl aller Bakterien sind ungefährlich, manche schützen sogar vor pathogenen Keimen", erklärt Rob Knight, ein Co-Autor der Studie.

Nach dem Händewaschen bilde sich offenbar sehr schnell eine neue Bakterienflora, diesmal allerdings mit einer anderen, "gesünderen" Zusammensetzung. Was genau der genetische Unterschied zwischen "guten" und "schlechten" Bakteriengemeinschaften ist, sollen demnächst Folgestudien klären.

Robert Czepel, science.ORF.at, 4.11.08
->   Noah Fierer
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01.01.2010