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NGO-Kritik: Behinderte weiterhin diskriminiert  
  Die UNO-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist in Österreich seit eineinhalb Monaten verbindlich. Leider hapert es noch an der Umsetzung.  
Das beklagen unterschiedliche Organisationen anlässlich des heutigen UNO-Welttages der Menschen mit Behinderungen.
"Volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben"
Eine Stiege, eine Fußgängerampel ohne Hörsignal, aber auch Vorurteile behindern Menschen und schließen sie aus. Vor 60 Jahren wurde bei der UN-Menschenrechtserklärung zwar eine Diskriminierungsklausel eingefügt, Menschen mit Behinderungen waren aber ausgeschlossen, sagt die Menschenrechtsexpertin Marianne Schulze.

Seit zwei Jahren gibt es neue UN-Menschrechtskonvention, die Menschen mit Behinderungen bewusst einschließt. Mitgeschrieben hat die Menschenrechtsexpertin Marianne Schulze:

"Die Konvention formuliert Menschenrechte in einer barrierefreien Form. Das heißt, es muss wesentlich mehr getan werden, um Menschen mit Behinderungen vor Diskriminierung zu schützen, aber es muss auch massiv mehr getan werden, um die volle, gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in der politischen Mitte zu ermöglichen."
->   UN-Info zum Welttag 2008
Ratifizierung heißt nicht schon Umsetzung
136 Staaten haben die UN-Konvention bisher unterzeichnet, 41 Staaten (darunter Österreich) haben sie ratifiziert. Die Ratifizierung sei zu wenig, sagen unterschiedliche Vereine - wie "Licht für die Welt", die Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, der Blinden- und Sehbehindertenverband, der Gehörlosenbund und BIZEPS, das Zentrum für Selbstbestimmtes Leben.

Die Ratifizierung sei nicht das Ende des Strebens nach Menschenrechten für alle, sondern der Anfang, sagt Martin Ladstätter von BIZEPS:

"Ich bin sehr froh, dass die UN-Konvention von Österreich ratifiziert worden ist - auch wenn es aus der Selbstzufriedenheit geschehen ist, dass ohnehin bereits alles umgesetzt worden sei. Doch einen Bruchteil davon hat Österreich in Wirklichkeit umgesetzt!"
->   BIZEPS - Zentrum für Selbstbestimmtes Leben
->   Österreichischer Gehörlosenbund
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Bundesländer einbinden
Die Umsetzung der UN-Konvention in Österreich soll ab kommender Woche ein Ausschuss mit Vertreterinnen und Vertretern von NGOs überwachen; mit dabei auch Berater von unterschiedlichen Ministerien. Allerdings sei dieser Monitoring-Ausschuss nur für den Bund zuständig, nicht für die Bundesländer, beklagt Christina Meierschitz Leiterin der Rechtsabteilung bei der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation: "Sehr viele Gesetze, die behinderte Menschen betreffen, sind Landesgesetze - z.B. die jeweiligen Bauordnungen oder Angelegenheiten der Pflichtschulen. Daher muss auch in den einzelnen Bundesländern ein Monitoring-Ausschuss installiert werden - allerdings habe ich noch nichts Derartiges gehört."
->   ÖAR
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Inklusion und Gleichstellung
Anlässlich des heutigen UNO-Welttages der Menschen mit Behinderungen fordern unterschiedliche Organisationen die rasche und v.a. konkrete Umsetzung der UN-Konvention - beispielsweise durch mehr öffentliche Gelder für Blindenführ-Hunde oder für medizinische Rehabilitation.

Menschen mit Behinderungen seien im Alltag mit Herausforderungen konfrontiert, die immer wieder beweisen, dass tatsächliche Gleichstellung bisher nur auf dem Papier existiert, sagt Gerhard Höllerer, Präsident des Österreichischen Blinden- und Sehbehindertenverbandes: "Um am öffentlichen Leben teilhaben zu können, ist für viele die Verfügbarkeit eines Blindenführhundes sowie eines Mobilitäts- und Orientierungstrainings unverzichtbar."
->   Österreichische Blinden- und Sehbehindertenverband
Menschenrechte international umsetzen
Die UN-Konvention wirkt sich (unter anderem) auf Hilfsprojekte für ärmere Länder und auf staatliche Hilfsgelder aus, heißt es von der Hilfsorganisation "Licht für die Welt". Mit der Ratifizierung der UNO-Konvention verpflichte sich Österreich nämlich, in der Entwicklungszusammenarbeit Menschen mit Behinderung in allen Anliegen und durchgängig zu berücksichtigen.
In Entwicklungsländern sei eine Gleichstellung bisher kaum verwirklicht, so die Hilfsorganisation: 95 Prozent der behinderten Kinder in den Armutsgebieten der Erde besuchen keine Schule.


"Die völkerrechtliche Verpflichtung zur Gleichbehandlung ist gerade für behinderte Menschen in Entwicklungsländern wichtig, um ihnen endlich Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung zu ermöglichen", sagt Rupert Roniger, Geschäftsführer von "Licht für die Welt" in einer Pressekonferenz anlässlich des heutigen Welttages der Menschen mit Behinderung.
->   Licht für die Welt
Vatikan attackiert UNO-Konvention
Der Vatikan kritisiert die Konvention der Vereinten Nationen, die Ende 2006 von der Vollversammlung angenommen und bereits von mehreren Ländern ratifiziert worden ist. Der Vatikan werde die Konvention nicht ratifizieren, weil sie kein ausdrückliches Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen enthält, heißt es laut Austria Presse Agentur.

Kritisiert werden demnach die Artikel 23 und 25 der Konvention: Im Artikel 23 werden die Rechte von behinderten Menschen "auf familiäre Planung und auf Sexualunterricht" hervorgehoben. Mit Artikel 25 soll das Recht auf Zugang zu allen gesundheitlichen Dienstleistungen garantiert werden, "inklusiv jener, die die sexuelle Gesundheit betreffen". Der Vatikan stemme sich gegen den Ausdruck "sexuelle Gesundheit", weil in einigen Ländern diese Dienstleistungen auch den Schwangerschaftsabbruch einschließen.

Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft, 3.12.08
 
 
 
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01.01.2010