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Glück ist ansteckend  
  "Jeder ist seines Glückes Schmied", sagt schon der Volksmund. Ähnliches kann man in diversen Lebensratgebern nachlesen. Dabei ist Glück nicht nur hausgemacht, sondern ebenso ansteckend wie Lachen. Das besagt zumindest eine aktuelle US-Langzeitstudie. Demnach ist der Mensch glücklich, wenn er von glücklichen Menschen umgeben ist.  
Je näher die Glücklichen sind, desto besser, aber auch Freunde von Freunden können noch davon profitieren. Unglück hingegen ist laut der Studie interessanterweise nicht ansteckend.
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Die Studie "Dynamic spread of happiness in a large social network: longitudinal analysis over 20 years in the Framingham Heart Study" von James H. Fowler and Nicholas A. Christakis ist in einer Online-Vorabveröffentlichung des "British Medical Journal" erschienen (DOI:10.1136/bmj.a2338).
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Epidemiologie des Glücks
Um zu untersuchen, ob Glück ähnlich einer Krankheit von Mensch zu Mensch weitergegeben werden kann, verwendeten Nicholas Christakis von der Harvard Medical School und James Fowler von der University of California Daten aus der "Framing Heart Study", ein britisches Langzeitstudienprojekt zur Untersuchung der Herzgesundheit.

5.124 Erwachsene im Alter von 21 bis 70 Jahren wurden im Zeitraum von 1971 bis 2003 über diverse Aspekte ihres Lebens und ihrer Gesundheit befragt. Unter anderem mussten sie Angaben zu ihren Verwandten, nahen Freunden, Wohnort und Arbeitsplatz machen.

Dabei fanden sie 53.228 soziale Verbindungen zwischen den Teilnehmern.
Glücklich durch das Glück der anderen
Für ihre Glückserhebung verwendeten die Studienautoren die Daten von 4.739 Personen von 1983 bis 2003. Dafür wurden Daten zur mentalen Gesundheit herangezogen.

Vier Behauptungen über ihr Empfinden in der vergangenen Woche dienten zur Einstufung des subjektiven Glücks: "Ich fühlte mich hoffnungsvoll, was die Zukunft betrifft", " Ich war glücklich", "Ich genoss das Leben" und "Ich fühlte, dass ich genau so gut war wie andere Menschen". Die Autoren stuften die Teilnehmer dann als glücklich ein, wenn sie bei allen vier Statements möglichst hohe Werte erzielten.

In der Folge analysierten sie die Daten mit Hilfe statistischer Methoden und spezieller Visualisierungsverfahren, um festzustellen, in welchem Zusammenhang die sozialen Netzwerke mit der Glücksbewertung standen.

Das wesentliche Ergebnis: Das Glück eines nahen Menschen beeinflusst das eigene Glücksempfinden.
Auch Freunde von Freunden profitieren
Bei Menschen, die zusammenleben, erhöhte sich die Wertung dadurch um acht Prozent, bei Geschwistern, die in der Nähe leben um 14 Prozent, bei Nachbarn sogar um 34 Prozent und bei nahe wohnenden Freunden um 25 Prozent.

Auf Arbeitskollegen hatte das Glück überraschenderweise keine Auswirkungen, was laut den beiden Forschern darauf hindeutet, dass der soziale Kontext für die "Gefühlsansteckung" eine wichtige Rolle spielt.

Interessanterweise haben laut der Studie nicht nur direkte soziale Verbindungen einen Einfluss auf das Glück, sondern auch Freunde von Freunde profitieren davon, nämlich mit einer Steigerung von immerhin zehn Prozent.
Nähe ist wesentlich
Die Verbreitung funktioniert sogar noch bis zu einer indirekten Verbindung über drei Personen. Das heißt generell, wer von vielen glücklichen Personen umgeben ist, dessen Chancen auf eigenes Glück sind deutlich höher.

Die Ansteckung hat allerdings auch eine räumliche Begrenzung. Je näher der glückliche Freund lebt, umso besser für einen selbst. Der Effekt verringert sich quasi mit jedem Kilometer.
"Glücksknoten" im Netzwerk
Laut den Wissenschaftlern zeigt die Studie, dass sich nicht einfach - wie man annehmen könnte - die Glücklichen zusammenrotten, sondern dass sich das Gefühl tatsächlich ausbreitet wie eine Epidemie. So entstünden sozusagen "Glücksknoten" im sozialen Netzwerk.

Die Ergebnisse legen demnach zwar nahe, dass Menschen, die sich an zentralen Knotenpunkten des sozialen Netzwerks befinden, eher glücklich sind. Im Gegensatz dazu zeige die Analyse allerdings, dass man nicht an eine zentralere Stelle rückt, nur weil man plötzlich glücklich ist.

Vielmehr scheine es umgekehrt zu funktionieren: Eine zentrale Position führt zu größerem Glück. Interessanter- oder besser glücklicherweise ist Unglück laut der Studie weit weniger ansteckend.
Glück als kollektives Phänomen
Die zentrale Erkenntnis liegt für die Autoren darin, dass Menschen nun einmal in sozialen Verbänden leben und dass dies nicht nur die körperliche, sondern auch die psychosoziale Gesundheit ganz wesentlich beeinflusst.

Für manche sicher ein Trost, für andere eine Binsenweisheit: Zumindest Glück ist nicht ausschließlich eine individuelle Angelegenheit, sondern auch ein kollektives Phänomen.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 5.12.08
->   James H. Fowler
->   Nicholas A. Christakis
->   The Framingham Heart Study
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Studie bestätigt: Schenken macht glücklich (21.3.08)
->   Besser nur fast als ganz glücklich (25.1.08)
->   Alter und Glücksgefühl - eine unterschätzte Liaison (19.6.06)
 
 
 
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01.01.2010