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Streit um Schrödingers Erbe nicht beendet  
  Der Rechtsstreit zwischen der Universität Wien und Schrödingers Alleinerbin Ruth Braunizer um einen Teil des Nachlasses des Nobelpreisträgers kann nach einem Jahr noch immer nicht beendet werden.  
Die beiden involvierten Parteien arbeiten aber nach eigenen Angaben an einer gemeinsamen Lösung. Letztendlich könnte die Gründung einer Stiftung dabei herausschauen.
Schwieriger Schluss
Auf die Schwierigkeit, einen Schluss zu finden, verwies Erwin Schrödinger (1887-1961) am 10. Dezember 1933 bei seiner Dankesrede anlässlich der Verleihung des Nobelpreises für Physik in Stockholm.

"Vielleicht hilft mir dieses Wort: Schluss. In wenigen Tagen wird ja leider Schluss sein, wird nicht nur dieses wundervolle Fest verrauscht sein, sondern wir werden wieder heimziehen müssen zu unserer Arbeit...", leitete Schrödinger 1933 das Ende seiner Dankesrede ein. Er erhielt damals gemeinsam mit dem britischen Forscher Paul Adrien Maurice Dirac den begehrten Physik-Preis für die "Entdeckung fruchtbarer Prinzipien zur Entwicklung der Atomtheorie".
Wer hat Anspruch?
75 Jahre später kann auch unter den vor einem Jahr entbrannten Rechtsstreit um einen Teil des Nachlasses des Physik-Nobelpreisträgers noch kein Schlussstrich gezogen werden. Der Nachlass-Streit umfasst Dokumente des 1961 verstorbenen und in Alpbach bestatteten Physikers, die die Zentralbibliothek für Physik der Uni Wien beherbergt.

Im August des Vorjahres hatte die Hochschule über die Finanzprokuratur Feststellungsklage eingebracht, um zu klären, ob Schrödingers uneheliche Tochter und Alleinerbin Ruth Braunizer aus Alpbach berechtigt Anspruch auf den Besitz der Dokumente erhebt.
Nachlass an der Zentralbibliothek für Physik
Die ursprünglich 108 Kilogramm schwere Kiste mit Manuskripten erhielt die Uni Wien zwei Jahre nach dem Tod Schrödingers: Im Jahr 1963 sichtete der US-amerikanische Physiker und Wissenschaftshistoriker Thomas S. Kuhn den Nachlass in der Wiener Wohnung der Witwe Schrödingers, ließ sich wichtige Teile davon zur Mikroverfilmung nach Kopenhagen schicken und sandte dann die Kiste nach Absprache mit der Witwe an die Zentralbibliothek für Physik.

In der Folge startete die Alleinerbin Braunizer wiederholt Anfragen zu diesem Teil des Nachlasses an die Uni Wien mit der Bitte um Rückgabe der Materialien. Auf Grundlage eines Rechtsgutachtens informierte die Uni Braunizer im Juli 2007, dass ihrer Forderung die Rechtsgrundlage fehle. Später folgte die von der Hochschule eingebrachte Feststellungsklage am Landesgericht Innsbruck.
Mögliche Gründung einer Stiftung
Mehrere Versuche einer außergerichtlichen Einigung scheiterten. Im Herbst gab es schließlich ein Gespräch zwischen beiden Parteien und in Anwesenheit eines Vertreters des Wissenschaftsministeriums "in freundlicher Atmosphäre", berichtete Braunizers Rechtsanwalt Alfred Noll.

Hier habe man erstmals die Gründung einer Stiftung zur Nachlassverwaltung ins Auge gefasst. Mittlerweile liege dahingehend auch ein schriftlicher Vorschlag der Uni Wien vor. Die Hochschule sei bereit, die Feststellungsklage - allerdings ohne eigenen Anspruchsverzicht - zurückzuziehen.

Braunizer wie auch die Uni Wien teilen prinzipiell das Interesse, den Nachlass Schrödingers der Öffentlichkeit zugänglich zu machen: Vonseiten der Hochschule hieß es zudem, es sei zentrales Anliegen, dass im Interesse der Öffentlichkeit und der Wissenschaft der ungehinderte Zugang zu den Materialien auch weiterhin bestehen bleibe. Auch seine Klägerin könne sich eine gemeinsame Lösung vorstellen, meinte Noll. Allerdings will sie zunächst ihr Eigentum sicherstellen.
Feststellungsverfahren zur Klärung des Anspruchs
De facto könnten die Anspruchsrechte über das derzeit bestehende Feststellungsverfahren geklärt werden, das aus Braunizers Sicht die Uni Wien verlieren müsste. Oder aber, die Erbin klagt selbst.

Erst nachdem die Eigentumsrechte geklärt seien, könne man laut Noll über die gemeinsame Lösung weiter nachdenken. Zum Beispiel, in welcher Form der Nachlass in eine mögliche Stiftung eingebracht werden könnte: als Leihgabe oder durch die Übertragung der Eigentumsrechte.

Nicht unter dem von der Uni Wien derzeit beherbergtem Nachlass ist übrigens die Nobelpreisurkunde Schrödingers aus dem Jahr 1933. Der private Nachlass des Physikers wie auch ein Teil des wissenschaftliches Erbes, darunter die im direkten Zusammenhang mit der renommierten Nobelpreis-Auszeichnung stehenden Materialien, werden laut Auskunft der Uni Wien in Alpbach aufbewahrt.

[science.ORF.at/APA, 5.12.08]
->   Erwin Schrödinger (Wikipedia)
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Schrödingers Erbe: Uni Wien und Tochter streiten (12.12.07)
 
 
 
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01.01.2010