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80. Geburtstag von Noam Chomsky  
  Er wurde zum wichtigsten Intellektuellen der Gegenwart gewählt, hat die Sprachwissenschaften revolutioniert und ist nach wie vor ein höchst streitbarer politischer Linker. Das hat ihm speziell in seinem Heimatland USA nicht nur Freunde gemacht, wissenschaftlich ist er aber bis heute anerkannt: Am Sonntag feiert Noam Chomsky seinen 80. Geburtstag.  
Der Linguist, der auch im hohen Alter noch unermüdlich schreibt, lehrt, Interviews gibt und Vorträge hält, imponiert nicht mit brillanter oder lauter Rhetorik, sondern mit kühler Sachlichkeit und vernichtender Analyse.

Er will nicht bekehren, sondern informieren. Den Medien steht er höchst skeptisch gegenüber und sieht in ihnen Instrumente des Kapitals und der herrschenden politischen Klasse.

Obwohl vieles an marxistische Analyse erinnert, lehnt Chomsky Karl Marx im Wesentlichen ab. Schon früh fühlte er sich verschiedenen anarchistischen Theoretikern verbunden.
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Wie man Meinung macht
"Manufacturing Consent" nennt Chomsky den Prozess, in dem Medien die für Herrschende passenden Meinungen buchstäblich produzieren. Massenmedien sind für ihn ein Instrument der Politik, das hilft, eigene Interessen hinter fabriziertem Konsens verstecken zu können.
->   Herstellung von Konsens (Telepolis)
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Universalgrammatik
An seinem wissenschaftlichen Rang gibt es trotz vieler Kritiker und Konkurrenten wenig Zweifel. Chomsky revolutionierte die Linguistik mit der - bis heute durchaus umstrittenen - Theorie, dass jeder Mensch eine angeborene Sprachfähigkeit habe. Demnach wäre Sprache weit weniger vom kulturellen Umfeld wie der Familie und Volksgruppe geprägt, sondern vorgegeben.

Seine Erkenntnisse wurden von Fachleuten als "kopernikanische Wende" für die Linguistik beschrieben. Chomskys "Generative Transformationsgrammatik" wurde nach den Gesetzen der Mathematik und der Logik geschaffen und besteht aus einem Formelwerk mit Kürzeln und Gleichungen.
In der Tradition von Descartes
Bild: EPA
Chomsky 2006 bei einer
Konferenz in Peru
Der Sohn eines aus der Ukraine eingewanderten jüdischen Hebräischlehrers strebt immer noch eine "Universalgrammatik" an, in der die Strukturformen aller existierenden Einzelsprachen enthalten sind.

Seine Grundthese, wonach die Sprachgesetze zu den angeborenen Grundstrukturen des menschlichen Gehirns gehören, hat Chomsky erstmals 1966 in seinem Buch "Cartesian Linguistics: A Chapter in the History of Rationalist Thought" formuliert.

Wie schon der Titel verrät, zog er dabei eine linguistische Traditionslinie vom französischen Philosophen Rene Descartes des 17. Jahrhunderts über Wilhelm von Humboldt bis in die Gegenwart.
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Wo die Universalgrammatik vielleicht im Hirn sitzt
2003 entdeckten deutsche Forscher eine Stelle im Gehirn, die möglicherweise den "physischen Sitz" von Chomskys Universalgrammatik enthält: das Broca-Areal in der linken Gehirnhälfte.
->   Links im Hirn: Chomskys Universalgrammatik
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Biografie
Chomsky wurde am 7. Dezember 1928 in Philadelphia geboren. Er studierte Sprachwissenschaft, Mathematik und Philosophie in Philadelphia, wechselte danach an die Harvard University und legte 1955 seine Doktorprüfung an der University of Pennsylvania ab.

Nach seiner Promotion lehrte er am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und bekam dort 1961 im Alter von nur 32 Jahren einen Lehrstuhl für Sprachwissenschaften.
Obama-Sieg als Geburtstagsgeschenk
Nun ist Chomsky also 80 Jahre alt. Ein Geschenk hat er zu seinem Geburtstag bereits bekommen. "Ich war froh, dass er gewonnen hat", sagte er zum Wahlsieg von Barack Obama.

Wunder erwartet Chomsky vom nächsten US-Präsidenten allerdings nicht: "Abgesehen von seinen rhetorischen Schnörkeln präsentiert sich Obama mehr oder weniger als Demokrat der Mitte, vergleichbar mit dem Modell Clinton."
->   Chomsky über die Obama-Wahl (Democracy Now)
Bücher zum Jubiläum
Das politisch-publizistische Ouevre von Chomsky kann zu seinem runden Geburtstag in der Anthologie "Die Verantwortlichkeit der Intellektuellen" nachgelesen werden. Sie vereint Vorträge, Analysen und Essays aus der Zeit zwischen 1966 und 2006.

Chomsky stellt dabei die Intellektuellen selbst an den Pranger, vor allem ihre nicht selten zur Schau getragene Distanzlosigkeit zu Ideologie und Macht sowie den Exponenten der jeweiligen politischen Klasse. Besonders hart geht er aber mit der Politik an sich ins Gericht, konkret mit der Außenwirkung der USA.

[science.ORF.at/APA/dpa, 6.12.08]
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Linguistische Werke von Chomsky
"Aspects of the Theory of Syntax" (1965, deutsch "Aspekte der Syntax-Theorie", 1969), "Language and Mind" (1968, deutsch "Sprache und Geist", 1972), "Modular Approaches to the Study of Mind" (1984), "Generative Grammar: Its Basis, Development and Prospects"(1987).
->   Noam Chomsky, MIT
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->   "Die Verantwortlichkeit der Intellektuellen" (Kunstmann Verlag)
->   Chomsky for Philosophers
->   Chomsky-Archiv (politische Texte)
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Chomsky: Wichtigster Intellektueller der Gegenwart
 
 
 
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01.01.2010