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"Headbanger" leben gefährlich  
  Leichte Übelkeit, Schwindel, Kopf- oder Nackenschmerzen - übliche Nachwirkungen einer durchfeierten Nacht. Dabei muss nicht unbedingt Alkohol im Spiel gewesen sein. Denn - das ist die schlechte Nachricht für Hardrock- und Heavy-Metal-Fans - auch das bei Konzerten so beliebte "Headbanging" kann ähnliche Folgen haben. Der Grund dafür: kleine Gehirn- und Nackenverletzungen.  
Zwei australische Wissenschaftler haben nun die Risiken dieser expressiven Tanzform näher untersucht und empfehlen mögliche Gegenstrategien, wie sie in der traditionell nicht ganz ernsthaft angelegten Weihnachtsausgabe des "British Medical Journal" berichten.
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Der Artikel "Head and neck injury risks in heavy metal: head bangers stuck between rock and hard bass" von Dedan Patton und Andrew McIntosh ist in der aktuellen Ausgabe des "British Medical Journal" (18. Dezember 2008, DOI: 10.1136/bmj.a2825) erschienen.
->   Zur Studie
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Wilde rhythmische Kopfbewegungen
Es war 1968 in Boston, als Led Zeppelin ein Konzert ihrer ersten US-Tour spielten: Die erste Reihe der Fans begann ihre Köpfe im Rhythmus der Musik auf die Bühne zu schlagen - der Begriff "Headbanger" war geboren, so lautet zumindest die Legende.

Heute beschreibt er wilde rhythmische Kopfbewegungen zu Musik, meist von "Heavy Metal"-Fans, die so ihre wallenden Mähnen effektvoll durch die Gegend schleudern.
Wenig dokumentierte Fälle
Dass das Besuchen einschlägiger Konzerte nicht nur das Gehör schädigen kann, weiß man laut Andrew McIntosh und Dedan Patton von der School of Risk and Safety Sciences der University of New South Wales schon aus einzelnen Fallbeispielen.

Angeblich hat Jason Newsted, ehemaliger Gitarrist von Metallica und bekannt für seine besonders schwingendes "Headbanging", die Band 2001 aus Angst vor dadurch verursachten Schäden verlassen. Ebenso wird der Schlaganfall des Evanescence-Gitarristen Terry Balsamo 2005 von manchen Ärzten darauf zurück geführt.

Auch wenn es nur wenige dokumentierte Fälle gibt, könnte die Dunkelziffer nach Ansicht mancher Neurophysiologen recht hoch sein, da viele Symptome unauffällig oder nur sehr leicht sind.
Theoretisches Modell des Verletzungsrisikos
Da sich mittlerweile zahlreiche unterschiedliche Stile entwickelt haben - das klassische Auf-und-Ab-Schwingen, kreisendes Schwingen, Ganzkörpertechniken sowie seitliche Bewegungen, haben die Wissenschaftler zu Beginn ihrer Studie Feldforschung betrieben, um den beliebtesten Stil herauszufinden. Dafür besuchten sie selbst diverse Rockkonzerte, wie etwa von Motörhead und Ozzy Ozzbourne - die Mehrheit der Besucher bewegte sich dort im klassischen Auf-und Ab-Stil. Der wurde auch Grundlage der folgenden Analyse.

Danach entwickelten die beiden mit Hilfe biomechanischer Analysen ein theoretisches Modell, das die Auswirkungen der schwingenden Bewegung und des jeweiligen Aktionsradius beschreibt. Zehn Musiker bildeten die Testgruppe, die auch ihre liebsten "Headbanger"-Songs für die Untersuchung nominieren durften.
Gefahr steigt mit Tempo und Radius
Dabei stellten sie fest, dass ab einem Tempo von 130 Beats per Minute (bpm) das Risiko für Nackenverletzungen steigt, abhängig vom jeweiligen Bewegungsradius. Laut den Vorerhebungen zur Studie beträgt das Tempo eines "Headbanger"-Song typischerweise etwa 146 bpm. Bei dieser Geschwindigkeit kann es den theoretischen Berechnungen der Forscher zufolge bei einem Schwungradius von ungefähr 75 Grad bereits zu Schwindelgefühlen oder Kopfschmerzen kommen.

Bei größerem Radius steige das Risiko auf echte Nacken- oder Kopfverletzung zwar, die Wissenschaftler halten es dennoch für unwahrscheinlich, dass jemand beim "Headbangen" das Bewusstsein verlieren könnte, außer man schlägt mit dem Kopf auf die Bühne oder gegen den eines "Tanzpartners".

Die Forscher verwendeten ihr Modell auch, um die Kopfbewegungen des wohl berühmtesten "Headbanger"-Paares zu analysieren, die Comicfiguren Beavis and Butt-head, während sie zu "I wanna be sedated" von The Ramones - immerhin schon 164 bpm - schwingen. Beavis, dessen Kopf lediglich einen Radius von 45 Grad beschreibt ist demnach ungefährdet, Butt-head hingegen bei 75 Grad kann schon mit milden Folgeerscheinungen rechnen.
Effektive Gegenmaßnahmen
Laut den Wissenschaftlern gibt es aber durchaus effektive Gegenstrategien. So empfehlen sie etwa den Radius beim "Bangen" zu verringern - vielleicht durch spezielle Krägen - oder einfach das Schwingtempo zu reduzieren, z.B. auf jeden zweiten Beat. Die Fans könnten auch versuchen, ihre Bands zu animieren, nur die langsameren Nummern zu spielen. Oder man steigt überhaupt um auf gepflegte "erwachsene" Rockmusik, denn Whitney Houston oder Lionel Ritchie sind laut Studie absolut risikolos.

Vielleicht ist das ein Trost für all jene, die keine Karten mehr für das AC/DC-Konzert im Ernst-Happel-Stadium am 24. Mai des nächsten Jahres ergattert haben, denn "Highway to Hell" kann ihre Gesundheit gefährden.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 18.12.08
->   Andrew McIntosh
->   School of Risk and Safety Sciences
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01.01.2010