News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Medizin und Gesundheit 
 
Das Lächeln der Sieger  
  Emotionale Gesichtsausdrücke wie Freude, Traurigkeit oder Überraschung sind angeboren. Sie sind weder kulturell bedingt noch von anderen Menschen abgeschaut. Das ergab ein Vergleich der Reaktionen blinder und sehender Judokämpfer.  
Kein Unterschied zwischen Blinden und Sehenden
Seit langem untersuchen Wissenschaftler, ob der Ausdruck von Emotionen im Gesicht angeboren oder erlernt ist. Nun weist eine neue Untersuchung darauf hin, dass die Art, wie wir Emotionen zeigen, evolutionär bedingt ist - und damit möglicherweise genetische Ursachen hat. Zu diesem Schluss kommen David Matsumoto von der San Francisco State University und Bob Willingham vom Zentrum für psychologische Studien in Berkeley, Kalifornien.

Die beiden Forscher untersuchten die Gesichtsausdrücke von 59 Judokämpfern aus 23 Ländern bei den Olympischen und Paraolympischen Spielen 2004 in Athen. Sie verglichen sehende, blind geborene und später erblindete Sportler. Dabei stellten sie fest, dass die Athleten aus allen drei Gruppen nach einem Sieg oder einer Niederlage die gleichen Gesichtsausdrücke zeigten. Unterschiede zwischen den drei Gruppen gab es jedoch keine. Da die blind Geborenen die Gesichtsausdrücke vorher nicht gesehen haben, können sie sie also nicht von anderen Menschen erlernt haben (Journal of Personality and Social Psychology, Bd. 96, S. 1).
Traditionelle Forschung
Auch Irenäus Eibl-Eibesfeldt untersuchte in den 1970er Jahren die Ausdrucksweise von Menschen, die sowohl gehörlos als auch blind geboren wurden. Matsumoto und Willingham beziehen sich in ihrer Studie zudem auf 16 weitere ältere Untersuchungen zu dem Thema; manche davon aus den 1930er Jahren.

Keine der Studien untersuchte den beiden Autoren zufolge aber spontane emotionale Reaktionen. Auch sei bisher nicht erforscht worden, ob gleiche Gesichtsausdrücke bei Sehenden und Blinden auch den gleichen Emotionen entsprächen und ob Blinde ebenso wie Sehende ihre Gesichtsausdrücke unter Kontrolle haben und einer sozialen Situation anpassen können - also ob auch sie Emotionen bewusst verbergen.
4.800 Fotos
 
Bild: EPA

Aus diesen Gründen beschlossen die Wissenschaftler, Sportler in bestimmten Situationen eines Wettkampfes zu fotografieren und die Gesichtsausdrücke auszuwerten.

Dazu beauftragten die Forscher einen Fotografen, Fotos von den Kämpfern in unterschiedlichen Positionen zu schießen: am Ende eines Final- oder Semifinalkampfes, bei der Überreichung der Medaille und beim abschließenden Gruppenbild. An die 4.800 Fotos kamen so zustande. Grundlage für die Auswertung war ein standardisiertes System zur Beurteilung von Gesichtsausdrücken auf Basis on Muskelbewegungen.
Auch Täuschung ist angeboren
Die Analyse offenbarte auch einen weiteren Aspekt: Sowohl blinde als auch sehende Sportler täuschten auch Emotionen vor. Dies zeigte sich bei den Gewinnern von Silbermedaillen. Diese stehen zwar auch am Podium, haben aber als zweite den letzten Kampf verloren. Daher zeigten sie unmittelbar nach dem Kampf, wenn sie die Medaille um den Hals gehängt bekamen und am Podium beim Gruppenbild nur ein aufgesetztes Lächeln.

Die Wissenschaftler können dies anhand der Muskelbewegungen im Gesicht unterscheiden. Denn wer sich wirklich freut, lacht ein so genanntes Duchenne-Lächeln, benannt nach dem französischen Physiologen Guillaume-Benjamin Duchenne. Bei diesem Lachen blitzen und funkeln die Augen und heben sich die Backen. Bei einem falschen "sozialen Lächeln" werden hingegen nur die Wundwinkel nach oben gezogen.

Mark Hammer, science.ORF.at, 2.1.09
->   David Matsumoto
->   Guillaume-Benjamin Duchenne
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Sieger und Verlierer sehen überall gleich aus (12.8.08)
->   Grammatik der Gebärden ist universal (1.7.08)
->   Die Mona Lisa "lächelt" nur mit dem Mund
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010