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Biotechnologie: Mobile Mikrogreifer  
  Kleine Greifzangen, wie sie etwa in der Mikrochirurgie zum Einsatz kommen, werden üblicherweise per Kabel oder Druckluft ferngesteuert. US-Forscher haben nun ein mobiles und autonomes Mikrowerkzeug entwickelt, das ausschließlich mit Hilfe thermischer oder chemischer Signale funktioniert.  
Die neuen mikroskopisch kleinen Greifzangen aus Metall machen eine Verkabelung überflüssig und könnten auch unter natürlichen biologischen Bedingungen verwendet werden.
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Die Studie "Thetherless thermobiochemically actuated microgrippers" von Timothy G. Leong et al. ist in der aktuellen Ausgabe der "Proceedings of the National Academy of Sciences" (Bd. 106, 13. Jänner 2009, DOI: 10.1073/pnas.0807698106) erschienen.
->   Studie
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Die Natur als Vorbild
Für ihre neue biotechnische Erfindung haben sich die Forscher rund um Timothy G. Leong von der John Hopkins University in Baltimore das Leben selbst zum Vorbild genommen: Autonome Organismen oder Zellen in der Natur reagieren bereits auf geringe Einflüsse, etwa auf Temperaturschwankungen oder biochemische Signale. So können gleich ganz Gruppen voneinander unabhängiger Einheiten aktiviert werden.

Darüberhinaus sind Zellen oder Erreger nicht nur autonom, sondern auch höchst mobil. Problemlos können sie enge Kanäle und Zwischenräume überwinden. Ein verkabeltes Mikrogerät hingegen stößt schon an seine Grenzen, wenn es ein Objekt aus einer millimetergroßen Röhre entfernen soll.

Für ihr neuartiges Werkzeug haben die Wissenschaftler die biologischen Vorzüge imitiert, um maximale Autonomie und Manövrierfähigkeit zu erzielen. Bisherige Entwicklungen benötigten noch zu hohe Temperaturen und reagierten nicht auf chemische Signale.
Krabbenförmige Greifzange
 
Bild: PNAS

Eine Mikrogreifzange ergreift einen Zellklumpen

Das neue Modell des kabellosen "Greifers" besteht aus einem organischen Polymer und einem dünnen bimetallischen Film. Das "vorgespannte" Metall wird von den darunterliegenden Polymersegmenten sozusagen in Spannung gehalten. In ihrer Form gleichen die Greifzangen kleinen Krabben mit sechs symmetrisch angeordneten Beinen. Das gesamte System ist in geöffneter Form etwa 700 µm groß.

Für die Greifbewegung wird der Kunststoff erweicht, so löst sich die Spannung und die "Arme" der Zange greifen zu. Dies geschieht entweder durch Erwärmung auf über 40 Grad Celsius, das Einlegen in eine ätzende Flüssigkeit oder indem man den "Greifer" biochemischen Signalen aussetzt.

Aufgrund ihrer metallischen Beschaffenheit kann die Greifzange mit Hilfe eines Magneten bis zu einer Distanz von zehn Zentimetern gesteuert werden. So lassen sie sich problemlos sogar durch gewendelte Röhren steuern.
Biokompatibel und minimal invasiv
Die Forscher haben das neue Werkzeug bereits in verschiedenen Versuchsanordnungen getestet. Durch gezielte Manipulation und Temperaturerhöhung gelang es ihnen unter anderem, gefärbte Kügelchen anzusteuern und zu ergreifen.

In der Folge führten die Wissenschaftler noch einige Experimente in natürlichen Umgebungen durch. Dabei zwickte das Werkzeug z.B. lebendige Zellgruppen aus einem größeren Zellhaufen in einem schmalen Röhrchen. Außerdem führten sie eine erfolgreiche in vitro Biopsie am Gewebe einer Rinderblase durch.

Noch ist die Greifaktion unter biologischen Bedingungen laut den Forschern nicht rückgängig zu machen. Zudem gebe es noch zu viele unkontrollierbare Einflussfaktoren. Dennoch sei die Entwicklung ein wichtiger Schritt in Richtung biokompatibler, minimal invasiver und autonomer Werkzeuge.

[science.ORF.at, 13.1.09]
Zwei Videos zu den Experimenten:
->   Video 1: Eine Mikrogreifzange ergreift gefärbte Kügelchen
->   Video 2: Eine Mikrogreifzange entnimmt ein Gewebestück aus einem Zellhaufen
->   John Hopkins University
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Neue Nabel-Chirurgie bei Gallensteinen erprobt (10.9.08)
->   Funkchips sollen Operationen sicherer machen (18.7.06)
 
 
 
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01.01.2010