News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Rückzieher nach Cornflakes-Studie  
  Letztes Jahr hat eine Studie für Aufsehen gesorgt, in der behauptet wurde: Schwangere, die Cornflakes essen, bekommen eher Söhne als Töchter. Stimmt gar nicht, sagen nun Forscher. Das Ergebnis sei Zufall, der Zusammenhang mithin ein Scheineffekt.  
Renner der Royal Society
"You are what your Mother eats." Selten wurde ein Studientitel in einer Zeitschrift der altehrwürdigen Royal Society so kurz und knackig formuliert, normalerweise haben die an dieser Stelle publizierten Arbeiten eher sperrige, mit Fachvokabeln beladene Titel - und werden dementsprechend nur von ein paar Spezialisten gelesen.

Ganz anders die im April 2008 publizierte Studie mit der werbewirksamen Überschrift: Sie war ein echter Burner, unzählige Print- und Online-Medien besprachen das provokante Ergebnis der Untersuchung, holten Expertenmeinungen ein und stellten sich die Frage: Ist es tatsächlich möglich, dass die Ernährung das Geschlecht der Kinder beeinflusst?
Der Frühstückseffekt
Fiona Mathews von der Exeter University hatte behauptet: Frauen, die zur Zeit der Befruchtung gut und ausreichend essen, etwa zum Frühstück Cerealien konsumieren würden, bekämen eher Söhne.

Diäten hätten hingegen den gegenteiligen Effekt, sie würden das Geschlechterverhältnis auf die Seite der Töchter verschieben, so Mathews, die mit zwei Kollegen in den "Proceedings of the Royal Society" (Bd. 275, S. 1661) eine entsprechende statistische Untersuchung präsentierte.

Dieses Resultat mag zwar ungewöhnlich klingen, physiologisch völlig unplausibel ist es jedoch nicht. Immerhin weiß man von künstlichen Befruchtungen an Rindern, dass der Glukosegehalt im Nährmedium das Geschlecht der Jungtiere beeinflusst. Auch wenn der konkrete Mechanismus unbekannt ist, eine kausale Verbindung zwischen Ernährung und Fortpflanzung wäre demnach zumindest denkbar.
->   Geschlecht und Ernährung: Müsli macht Söhne
"Nur Zufall"
Aber derlei Überlegungen sind nach Ansicht von Stanley Young Zeitverschwendung. Der Co-Direktor des National Institute of Statistical Sciences in North Carolina hat sich die von Mathews erhobenen Daten nochmals angesehen und kommt zu dem Schluss: Der beobachtete Effekt sei Zufall, mehr nicht.

Mathews habe in ihrer Studie 132 Lebensmittel in zwei verschiedenen Zeitperioden untersucht, macht insgesamt 264 statistische Vergleiche. Bei einer solchen Fülle von Tests seien aus rechnerischen Gründen rund 13 falsch positive Resultate zu erwarten, und als solches sei eben auch der (vermeintliche) Zusammenhang zwischen Cerealien und der Anzahl der Söhne anzusehen, schreibt Young mit zwei Kollegen in den "Proceedings of the Royal Society" (doi: 10.1098/rspb.2008.1405).

Seine Conclusio: Einfache Signifikanztests, wie in vielen Studien üblich, seien nicht ausreichend. Entsprechende Methoden zur Fehlerkorrektur seien längst bekannt, man müsse sie halt anwenden.
Kein Einzelfall
Das ist an sich nicht weiter überraschend. Falsch positive Ergebnisse hat es immer wieder gegeben und das wird auch in Zukunft so sein, weil absolute Gewissheit beim Schluss von Stichproben auf das Ganze eben nie zu erreichen ist. Nur: Sollte nicht das Peer-Review-Verfahren klären, ob ein behaupteter Zusammenhang auch realistisch ist - in diesem Fall: biologischen und statistischen Mindestkriterien genügt? Hier muss man zumindest der Zeitschrift einen Vorwurf machen, die das Ergebnis publiziert, einen Medienhype ausgelöst und nun eine wohl minder beachtete Korrekturnotiz nachgeliefert hat.

Die Causa "Cornflakes" ist allerdings kein Einzelfall. Der US-Mediziner John Ioannidis hat etwa in den letzten Jahren mehrfach auf statistische Schwachstellen in Studiendesigns hingewiesen und in seinen Arbeiten generell ein sehr problematisches Sittenbild des wissenschaftlichen Publikationswesens skizziert.

2005 kam er im Fachblatt "JAMA" (Bd. 294, S. 218) zu dem Ergebnis, dass 80 Prozent der medizinischen Beobachtungsstudien nicht halten, was sie versprechen. Entweder lassen sich die Ergebnisse nicht reproduzieren oder die gefundenen Effekte erweisen sich als deutlich geringer als zunächst behauptet.

Robert Czepel, science.ORF.at, 14.1.09
->   National Institute of Statistical Sciences
->   Fehler 1. Art - Wikipedia
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   TV-Einfluss auf frühe Schwangerschaften
->   Feinstaub schädigt Föten im Mutterleib
->   Immundoping durch den Nachwuchs
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010