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Neurowissenschaft: Kritik an "Voodoo-Methoden"  
  Die soziale Neurowissenschaft untersucht Zusammenhänge zwischen Sozialverhalten und Gehirn. US-Forscher werfen den entsprechenden Studien nun schwere methodische Mängel vor.  
Da diese Mängel zu deutlichen Verzerrungen der Resultate führen, verwenden sie harsche Worte: "Voodoo-Korrelationen" seien es, die die Neurowissenschaftler herstellten.
Statistische Mängel
Eine Gruppe um den Psychologen Hal Pashler von der University of California in San Diego hat über 50 Studien der sozialen Neurowissenschaft untersucht. Dabei ging es um Zusammenhänge von Gehirnaktivitäten mit Verhalten wie Eifersucht, Angst, Ablehnung und Empathie.

Die Forscher schickten an sämtliche der ausgewählten Gruppen von Neurowissenschaftlern kurze Fragebögen, in denen diese Auskunft über ihre Methoden geben sollten.

Die Auswertung zeigte laut Pashler, dass in 31 Fällen grobe statistische Mängel aufgetreten waren, welche die Aussagen der Studien deutlich verzerrten.
Kritik an Design ...
Der konkrete Vorwurf: Die Studiendesigns sehen zumeist vor, dass die Probanden verschiedene Aufgaben absolvieren, die dann die zu untersuchende Emotion auslösen. Währenddessen werden ihre Gehirne mittels Magnetresonanztomografie (MRT) untersucht.

Die Forscher werten dann die sogenannten "Voxel" aus - das sind Volumseinheiten des Gehirns mit Millionen von Nervenzellen, die sich aus den bildgebenden Verfahren ergeben. Blitzen diese "Voxels" bei den herbeigeführten Emotionen auf, gilt dies als neuronales Korrelat.
... und Aussagekraft
Pashler und Kollegen betonen nun, dass es zweier Tests bedarf, um signifikante Zusammenhänge festzustellen: einen für das prinzipielle Korrelat, und einen - vom ersten unabhängigen - anderen, um die Stärke des Zusammenhangs festzustellen. In den von ihnen kritisieren Studien, sei es aber nur zu einem derartigen Test gekommen.

Wie die angegriffenen Neurowissenschaftler entgegnen, sei dies aber gar nicht immer nötig bzw. möglich. Um Verzerrungen zu vermeiden und Signifikanz zu schaffen, gebe es die entsprechenden Instrumente der Statistik, betonen sie.
Unübliche Diskussion der Wissenschaftsgemeinde
Für die scientific community unüblich ist weniger die Härte der Auseinandersetzung als die Art und Weise, wie sie geführt wird: Die kritisierten Studien sind zwar bereits in Peer-Review-Journalen erschienen - darunter auch in prominenten wie "Nature" oder "Science" - die Kritik daran wurde bisher aber nicht offiziell publiziert. Dies soll erst im September in den "Perspectives on Psychological Science" geschehen.

"Ich habe von der Sache erstmals durch einen Journalisten erfahren", berichtet etwa die Neurowissenschaftlerin Nania Singer von der Universität Zürich, eine der Kritisierten. "Ich bin schockiert. Das ist nicht die Art, wie eine wissenschaftliche Diskussion stattfinden sollte", bekannte sie gegenüber dem Online-Dienst von "Nature".

Da die Kritik von Pashler und Kollegen mittlerweile aber im Internet kursiert, haben sich Singer und andere Betroffene zu einer Gegendarstellung entschlossen, die ebenfalls ohne Peer-Review-Prozess im Internet nachzulesen ist.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 15.1.09
->   Die Studie von Pashler et al.: Voodoo Correlations in Social Neuroscience
->   Die Antwort von Tania Singer et al.
->   Nature News
 
 
 
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01.01.2010