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Ostblock-Staaten: Sterbewelle nach Privatisierungen  
  Nach den massiven Privatisierungen in der Wirtschaft der ehemals kommunistischen Länder ist die Sterberate bei Männern deutlich angestiegen. Die Zahl der Todesfälle erhöhte sich in den 90er Jahren um fast 13 Prozent.  
Das geht aus einer Studie britischer Forscher hervor, die im Fachblatt "The Lancet" (online) veröffentlicht wurde. Die Forschungsergebnisse seien eine wichtige Lehre für andere Länder wie etwa China oder Indien, schreiben die Autoren.
Arbeitslosigkeit und Alkoholismus
Die Forscher um David Stuckler von der Universität Oxford sehen einen Zusammenhang mit dem gleichzeitigen Anstieg der Arbeitslosigkeit um durchschnittlich über 56 Prozent in den untersuchten Ländern. Eine mögliche Ursache für die höheren Sterberaten sei womöglich ein stärkerer Alkoholkonsum bei Menschen, die arbeitslos geworden seien, heißt es in der Studie.

Zudem hätten im Kommunismus vor allem die Arbeitgeber medizinische und soziale Versorgung ihrer Beschäftigten gewährleistet. Diese Dienstleistungen seien bei Privatisierungen meist verloren gegangen oder stark zurückgefahren worden.
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Studiendetails
Stuckler und Kollegen haben die Sterberate von Männern im arbeitsfähigen Alter zwischen 15 und 59 Jahren in post-kommunistischen Ländern der ehemaligen Sowjetunion und anderen Ländern Osteuropas zwischen 1989 und 2002 untersucht. Als massive Privatisierung gelte, wenn mindestens 25 Prozent großer staatlicher Unternehmen innerhalb von zwei Jahren in private Hand wechselten. Die Ergebnisse wurden um Faktoren wie etwa Einkommensveränderungen bereinigt.
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Positive Beispiele: Tschechien, Polen, Slowenien
Negative Extrembeispiele seien Russland, Kasachstan, Lettland, Litauen und Estland: Dort seien zwischen 1991 und 1994 die Todeszahlen um 42 Prozent, die Arbeitsenzahlen sogar um 300 Prozent gestiegen. In anderen Ostblockländern, die langsamer privatisiert oder über ein gutes soziales Netz außerhalb der Firmen verfügt hätten, sei die erhöhte Sterberate nicht zu beobachten, hieß es.

Dies seien Albanien, Kroatien, die Tschechische Republik, Polen und Slowenien. Dort sei die Arbeitslosigkeit im selben Zeitraum bei Männern nur um zwei Prozent gestiegen, die Sterbezahlen um zehn Prozent zurückgegangen.

Die Studie über den Ostblock könne Schwellenländern wie Indien, China, Ägypten oder auch dem Irak eine Lehre sein, wo weite Teile des Staatssektors erst noch privatisiert werden müssten, erklärten die Forscher. "Es sollte mit großer Vorsicht vorgegangen werden, wenn Wirtschaftspolitik versucht, eine Volkswirtschaft radikal zu verändern."

[science.ORF.at/AFP/dpa, 15.1.09]
->   David Stuckler
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01.01.2010