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Rassismus: Wahrnehmungstraining gegen Vorurteile  
  Menschen einer anderen Hautfarbe sehen für viele gleich aus. So gelingt es manchen Europäern kaum, einen Japaner von einem Chinesen zu unterscheiden. Ähnliches gilt für Menschen aus vielen afrikanischen Staaten. Laut einer aktuellen Studie ist dieser Umstand mitschuldig an rassistischen Stereotypen.  
Bringt man den Menschen aber bei, individuelle Unterschiede von Menschen gleicher Hautfarbe zu erkennen, könnten sie diese Voreingenommenheit überwinden, so die simple Lösungsstrategie der US-Forscher.
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Die Studie "Perceptual Other-Race Training Reduces Implicit Racial Bias" von Michael J. Tarr et al. ist im Online-Journal "PLoS ONE" (21. Jänner 2009) erschienen.
->   PLoS ONE
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Unbewusste Vorurteile
Laut den Wissenschaftlern rund um Michael J. Tarr von der Brown University existieren rassistische Vorurteile bei vielen Menschen oft völlig unbewusst. Das heißt, weder wissen sie, dass sie welche haben, noch, wo sie eigentlich herkommen.

Sicher sei aber, dass es einen engen Zusammenhang gibt zwischen dem, was wir wahrnehmen, und dem, was wir denken. So entstehen oft völlig unbemerkt Stereotypen und Verallgemeinerungen.
Erhebung von rassistischen Tendenzen
Um diesen Zusammenhang zu überprüfen, testeten die Forscher 20 weiße Probanden auf ihre rassistischen Tendenzen. Dafür verwendeten sie eine eigene an der Brown University entwickelte Methode, den "Affective Lexical Priming Score" (ALPS), der auf dem in Harvard entwickelten "Implicit Association Test" aufbaut (IAT). Beide Tests dienen der Erhebung impliziter sozialer Vorurteile.

Der ALPS-Test funktioniert laut Aussendung der Brown University folgendermaßen: Jedem Teilnehmer wird eine Bilderserie von Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe gezeigt.

Nach jedem Gesicht sieht die Testpersonen ein echtes ("tree") oder erfundenes Wort ("malk"). So schnell wie möglich müssen sie entscheiden, ob es das Wort gibt oder nicht. Die echten haben manchmal positive, manchmal negative Bedeutungen.

Die Probanden reagierten laut den Wissenschaftlern deutlich schneller, wenn der Begriff, der kurz nach einem afroamerikanischen Gesicht gezeigt wurde, negativ besetzt war, langsamer, wenn er in derselben Abfolge etwas Gutes bedeutete.
Unterscheidungstraining ...
 
Bild: University of Victoria

Einige der verwendeten Bilder

Nach der Erhebung der impliziten Vorurteile wurden die Probanden in zwei Gruppen geteilt und nahmen an einem zehnstündigen "Erkennungstraining" teil. Die eine Hälfte lernte, verschiedene afroamerikanische Gesichter besser zu unterscheiden. Die anderen mussten lediglich erkennen, ob es sich um einen Afroamerikaner handelt oder nicht.
... stimmt positiv
Das Erkennungstraining zeigte tatsächlich Wirkung - mit der ALPS-Methode sogar klar messbare Wirkung: Vor allem diejenigen, die gelernt hatten, die individuellen Unterschiede zu sehen, hatten danach deutlich weniger Vorurteile. Die Vertrautheit mit vormals fremdartigen Gesichtern bewirkte bei ihnen offenbar zu einer Zunahme von positiven Assoziationen.
Vorbereitung auf Arbeitsalltag
Die Wissenschaftler rund um Tarr räumen allerdings ein, dass man mit dieser einfache Methoden, rassistische Voreingenommenheit mit Sicherheit nicht eliminieren kann, aber es sei ein Weg, diese impliziten Haltungen zumindest zu reduzieren. Durch ein derartiges Training würden Menschen eher individuelle Zuschreibungen machen als stereotype.

Das Programm könnte laut den Wissenschaftlern auch praktische Anwendung finden, etwa in der Ausbildung von Personen, die Menschen mit anderer Hautfarbe in ihrem Arbeitsalltag häufig begegnen, wie etwa Sozialarbeiter, Polizisten oder Angestellte von Einwanderungsbehörden.

[science.ORF.at, 21.1.09]
->   Implicit Association Test (IAT)
->   Tarrlab
->   Brown University
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->   Rassismus: Schein und Wirklichkeit (9.1.09)
->   Die Vorurteile hinter der Vorurteilsfreiheit (10.10.08)
->   Fremdenfeindlichkeit: Kultur dient als Deckmantel (26.2.08)
->   Keine wissenschaftliche Grundlage für Rassismus (17.1.05)
 
 
 
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01.01.2010