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Völkerwanderung: Sprache und Bakterien ziehen gleiche Spur  
  Die Vergangenheit hinterlässt vielfältige Spuren, sowohl biologisch als auch kulturell. So zeichnen gleich zwei aktuelle Studien mit völlig unterschiedlichen Methoden die prähistorische Ausbreitung der Menschen im pazifischen Raum nach. Eine verwendet genetische Analysen des verbreiteten Magenbakteriums Helicobacter pylori, die zweite analysiert den Stammbaum von Wörtern einer Sprachfamilie und kommt dabei zum gleichen Ergebnis.  
Beide Untersuchungen belegen zwei große Wanderungsbewegungen, in welchen der pazifische Raum besiedelt wurde.
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Die Studie "The Peopling of the Pacific from a Bacterial Perspective" von Yoshan Moodley et al. (Bd. 323, S. 527) und die Studie "Language Phylogenies Reveal Expansion Pulses and Pauses in Pacific Settlement" von R. D. Gray (S. 479) sind in der aktuellen Ausgabe von "Science" (23. Jänner 2009) erschienen.
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Bakterium zeichnet Besiedelung nach
Die Erkenntnis, dass im Magen lebende Bakterien namens Helicobacter pylori Magengeschwüre, Gastritis und sogar Magenkrebs verursachen können, ist eine vergleichsweise junge Weisheit der Medizin. 2005 wurden die Australier Robin Warren und Barry Marshall dafür mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Nachdem sich herausgestellt hat, dass etwa die Hälfte der Menschheit mit dem Keim infiziert ist, er aber je nach Herkunft sehr unterschiedlich sein kann, setzen ihn Biologen mittlerweile auch dazu ein, um die Besiedelung ganzer Kontinente durch den Menschen nachzuzeichnen.

Trennen sich die Wege zweier Menschengruppen, so entwickeln sich auch ihre Parasiten langsam, aber kontinuierlich genetisch auseinander. Anhand des Unterschieds lässt sich abschätzen, wie lange es schon keine Durchmischung mehr gab.
Beleg der "Out of Africa"- Hypothese
Außerdem ist es im Zuge der Ausbreitung des Menschen über die Kontinente immer wieder zu Schrumpfungen der Populationen gekommen, was in Folge zu einer dauerhaften Verarmung der genetischen Vielfalt der jeweiligen Gruppe führt. Je weiter eine solche Gruppe sich daher von ihrem Ursprungsort entfernt, desto geringer wird die Vielfalt.

Durch die Analyse der Genome des Bakteriums konnte so vor einigen Jahren bereits die Theorie der Abstammung des modernen Menschen aus Afrika (die sogenannte "Out of Africa"-Hypothese) bestätigt werden.
->   Mensch und sein Magenkeim wanderten "Out of Africa" (7.2.07)
Zwei große Wanderungswellen
In einer aktuellen Studie hat die Forschergruppe um Mark Achtman und Yoshan Moodley am Max-Planck-Institut (MPI) für Infektionsbiologie in Berlin nun prähistorische Migrationsbewegungen im pazifischen Raum analysiert, etwa wie der Mensch die zahlreichen Inseln besiedelte. Moodley arbeitet derzeit am Konrad Lorenz Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Die Gen-Analysen von Bakterienproben belegen eine erste Wanderungsbewegung, gestartet in Asien vor über 30.000 Jahren. Laut den Forschern wanderten die Menschen über die damals existierende Landbrücke auf die heutige Inselwelt Indonesiens, weiter nach Neuguinea und Australien.

Eine zweite genetische Verwandtschaftslinie von Helicobacter pylori weist auf eine weitere Wanderungswelle hin, die vor rund 5.000 Jahren in Taiwan begann. Die Menschen erreichten dabei unter anderem die Philippinen, Polynesien und Neuseeland.
Lexikalischer Stammbaum wird gezeichnet
Nicht auf Magenkeime sondern auf lexikalische Daten und computerlinguistische Berechnungsmethoden setzten die Sprachforscher rund um R.D. Gray von der University of Auckland in Neuseeland bei der Untersuchung derselben Völkerbewegung. Auch hier wurde ein Entwicklungsstammbaum gezeichnet, in diesem Fall von Wörtern.

Die Sprachen Polynesiens gehören zur weit verbreiteten Sprachfamilie der Austronesischen Sprachen, die aus mehr als 1.000 Einzelsprachen besteht. Die aktuelle Analyse basiert auf Daten aus 400 Einzelsprachen. Die Berechnung der Verwandtschaft beruht auf Ähnlichkeiten bestimmter zentraler Vokabeln. Das Ergebnis legt einen Ursprung von Austronesisch in Taiwan vor etwa 5.200 Jahren nahe.

Die von dort ausgehende Ausdifferenzierung der Sprache und ihre Ausbreitung in den gesamten pazifischen Raum bis nach Mikronesien decken sich mit der von den Biologen gefundenen zweiten großen Wanderungswelle.

So belegen beide Studien mit höchst unterschiedlichen Mitteln geltende Theorien zur pazifischen Wanderung, die auf archäologischen Funden basieren.

[science.ORF.at/APA, 23.1.09]
->   Helicobacter pylori (Wikipedia)
->   Austronesische Sprachen
->   Konrad Lorenz Institute for Ethology
->   R.D. Gray
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Bakterium liefert Hinweise auf Völkerwanderung (7.3.03)
 
 
 
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01.01.2010