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Gehirnerschütterungen: Folgen nach 30 Jahren  
  Schwere Skiunfälle in den letzen Wochen lassen Politiker über eine Helmpflicht nachdenken. Unterstützung könnten sie nun von einer Studie erhalten, laut der die Folgen einer Gehirnerschütterung auch noch lange Zeit nach dem Unfall bemerkbar sind. Ehemalige kanadische Eishockey- und Football-Spieler hatten demzufolge 30 Jahre nach einer Gehirnerschütterung Probleme mit Wahrnehmung und Motorik.  
Alte Sportler
Was auf Skipisten eher zur Ausnahme gehört, ist beim Eishockey fast schon fester Bestandteil des Spiels: das harte Zusammenkrachen der Sportler. Da hilft jedoch manchmal auch der beste Helm nichts und es kommt zu Gehirnerschütterungen. Die spürbaren Auswirkungen des Unfalls sind meist nach ein paar Tagen wieder verschwunden. Nun haben Wissenschaftler der Universität Montreal jedoch festgestellt, dass auch lange Zeit nach dem unerfreulichen Ereignis noch Folgen zu bemerken sind.

Sie wählten ehemalige Sportler im Alter von 50 bis 65 Jahren aus, die vor 30 Jahren in den Sportklubs der Canadian University aktiv waren. Manche von ihnen hatten damals eine Gehirnerschütterung erlitten, andere nicht. Alle von ihnen blieben jedoch weiterhin fit und sportelten mindestens dreimal die Woche.
Alzheimer-Test
Für die Studie kamen die Sportler nach langer Zeit wieder an die Uni. An mehreren Terminen lösten sie Aufgaben, mit denen ihre Orientierung und Aufmerksamkeit, ihr Erinnerungsvermögen und ihre motorischen Fähigkeiten untersucht wurden. Dazu gehörte auch ein gängiger Alzheimer-Test.

Bei den meisten Aufgaben schnitten jene Sportler, die in ihrer Jugend eine Gehirnerschütterung erlitten haben, schlechter ab. Sie konnten optische und akustische Reize schlechter wahrnehmen, sich schlechter an Bilder erinnern und ihre Hände weniger rasch bewegen. Das berichten Forscher um Louis de Beaumont vom Zentrum für Neuropsychologie der Universität Montreal in der Fachzeitschrift "Brain" (doi:10.1093/brain/awn347).
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Gehirnerschütterung
Die Gehirnerschütterung ist die leichteste Form des Schädel-Hirn-Traumas. Schwerere Formen sind die Gehirnprellung und die Gehirnquetschung. Die drei Verletzungen werden anhand des Grades der Bewusstseinsstörung mithilfe des Glasgow-Coma-Scale unterschieden.
->   Gehirnerschütterung (Wikipedia)
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Schäden vergehen, aber kommen wieder
De Beaumont testete bereits im Jahr 2007, welche Spuren eine Gehirnerschütterung nach drei Jahren hinterlässt (Brain Injury, Bd. 21, 2007, S. 631). Einige der damals festgestellten Folgen fanden sich auch bei den Patienten in der nun veröffentlichten Studie wieder.

Während manche kognitiven Störungen einige Tage nach einer Gehirnerschütterung verschwinden, scheinen diese nach längerer Zeit wieder aufzutauchen. Laut den Studienautoren wurden bisher nur die kurzfristigen Folgen unmittelbar nach einer Gehirnerschütterung untersucht. Ob auch nach Jahrzehnten noch Auswirkungen spürbar sind, wusste man bisher nicht.
Zusammenhang mit Alzheimer
Derzeit ist nicht klar, ob der Unfall verborgene Störungen der Wahrnehmung auslöse oder das Altern beschleunige und Störungen daher bloß früher auftreten. "Vorschnelles Altern hätte ernsthafte klinische Auswirkungen, da zunehmendes Alter das größte Risiko für Alzheimer darstellt", schreiben die Wissenschaftler. Den Autoren zufolge ist jedoch weitere Forschung nötig, um die Folgen einer Gehirnerschütterung besser einschätzen zu können.

"Mit diesen Erkenntnissen sollten Sportler besser über langfristige Folgen einer Gehirnerschütterung und die Risiken ihres Sports Bescheid wissen", sagt De Beaumont in einer Agenturmeldung. Am ehesten wird man den Folgen eines Sportunfalls daher wohl entgehen, indem man Vorsicht walten lässt und den Unfall selbst vermeidet.

Mark Hammer, science.ORF.at, 28.1.09
->   Zentrum für Neuropsychologie, Uni Montreal
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01.01.2010