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Faktenwissen macht nicht klüger  
  Nicht für die Schule, sondern das Leben lernen wir, heißt es. Die Realität sieht oft anders aus: In erster Linie werden Fakten auswendig gelernt. Eigenständiges oder logisches Denken kommt oft zu kurz. Das belegt auch eine aktuelle Studie. Dabei wurden die Leistungen von chinesischen und US-amerikanischen Jugendlichen verglichen. Erstere waren zwar deutlich besser bei den Fakten, beim Schlussfolgern allerdings erzielten alle relativ schlechte Ergebnisse.  
Und das, obwohl die beiden Schulsysteme sehr unterschiedliche Methoden verwenden. Beide Modelle bereiten die Schüler offenbar nicht ausreichend auf das echte Leben vor, so die Forscher.
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Die Studie "Learning and Scientific Reasoning" von L. Bao et al. ist in der aktuellen Ausgabe von "Science" (Bd. 323, S. 586; 30. Jänner 2009) erschienen.
->   Die Studie (zahlungspflichtig)
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Wenig Physik in US-Schulen
Für ihre Studie haben die US-amerikanischen und chinesischen Forscher die Leistungen von knapp 6.000 Studienanfängern in naturwissenschaftlichen Fachbereichen an insgesamt sieben Universitäten verglichen.

Die Grundausbildung in den Bereichen Physik, Mathematik oder Technik ist laut Studienleiter Lei Bao von der Ohio State University in beiden Staaten sehr unterschiedlich. So hat in den USA lediglich ein Drittel der Studenten bis zum Abschluss der Highschool einen einjährigen Physikkurs belegt.

Der Rest lernt physikalische Grundlagen ausschließlich im Rahmen eines allgemeinen naturwissenschaftlichen Unterrichts. Außerdem unterscheiden sich die Lehrpläne der einzelnen Schulen sehr stark.
Einheitliche Grundausbildung in China
In China hingegen hat jede Schule ganz strikte Vorgaben, was den Unterrichtsstoff betrifft. Dazu zählen auch insgesamt fünf Jahre physikalische Grundausbildung von der achten bis zur zwölften Schulstufe. Für einen Eintritt ins College müssen die angehenden Studenten landesweit denselben Test bestehen. Dieser beinhaltet auch fortgeschrittene physikalische Probleme.

Laut Bao hat jedes System seine Vor- und Nachteile. "In China steht das ausführliche Erlernen von Faktenwissen im Vordergrund. In den Vereinigten Staaten sind die naturwissenschaftlichen Kurse etwas flexibler, mit einfacherem Inhalt, dafür werden die Methoden etwas mehr in den Vordergrund gestellt."
Faktenwissen reicht nicht aus
Im Rahmen der Untersuchung mussten die Teilnehmer drei Multiple-Choice-Tests absolvieren: zwei Standardtests, die konzeptuelles physikalisches Wissen abfragen, und einen, der naturwissenschaftliches Schlussfolgern überprüft.

Beim ersten Test, bei dem es um mechanische Grundlagen ging, erzielten die chinesischen Studenten im Durchschnitt knapp 90 Prozent der Punkte, die US-amerikanischen hingegen nur 50. Beim nächsten Test zum Thema Elektrizität erreichten die Chinesen noch immer 70 Prozent, ihre US-amerikanischen Kollegen 25. Eine Beantwortung nach Zufallsprinzip hätte laut Bao nicht viel schlechtere Resultate erzielt.

Der dritte Test sollte Fähigkeiten überprüfen, die über die inhaltlichen Fakten hinausgehen. Dabei mussten die Studenten unter anderem naturwissenschaftliche Hypothesen überprüfen, mit Wahrscheinlichkeiten umgehen und logische Schlüsse ziehen. Dabei erzielten die Teilnehmer aus beiden Staaten durchschnittlich nur 75 Prozent der Punkte, erstaunlicherweise auch die US-amerikanischen Studenten, obwohl sie über ein deutlich geringeres Faktenwissen verfügen.

Laut den Forschern zeigt das ihrer Ansicht nach schwache Ergebnis, dass die Ausbildungsmethoden in beiden Ländern insgesamt unzureichend sind.
Wichtige Kompetenzen im echten Leben
Dabei sind laut den Forschern genau diese Kompetenzen im "echten" Leben wesentlich, gleichgültig ob man im naturwissenschaftlichen Bereich arbeitet oder nicht - reale Problemstellungen seien eben meist komplexer und offener.

Um das Defizit zu bekämpfen, schlagen die Wissenschaftler alternative Unterrichtsmethoden vor, die nicht nur Faktenwissen, sondern auch Problemlösungsstrategien vermitteln. Diese sollten mehr auf Fragen, eigenständigen Nachforschungen und Gruppenarbeit aufbauen.

[science.ORF.at, 30.1.09]
->   Lei Bao (Universität Ohio)
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Neue Schulen braucht das Land (8.9.08)
->   Studie: Wissenschaft in der Schule kommt nicht an (28.7.08)
->   Auch "höhere" Intelligenz lässt sich trainieren (29.4.08)
 
 
 
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01.01.2010