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Stammzelltherapie: Nächste Hürde genommen  
  Deutsche Forscher sind dem großen Ziel der Stammzelltherapie erneut einen Schritt näher gekommen: Sie haben Nervenzellen so manipuliert, dass sie sich wie embryonale Stammzellen verhalten. Bisher ging das nur durch Einschleusung von zwei Fremdgenen, nun ist nur mehr ein Erbfaktor dafür notwendig.  
Und: Es sieht es so aus, als ob man auf die potenziell gefährlichen Erbfaktoren bald komplett verzichten könnte, berichtet Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin im US-Fachblatt "Cell" (Bd. 136, S. 411).
Künstliches Gewebe züchten
In die sogenannten induzierte pluripotente Stammzellen (ipS-Zellen) setzen Mediziner große Hoffnungen. Die ipS-Zellen haben dieselben Fähigkeiten wie die begehrten embryonalen Stammzellen. Aus den Multitalenten lässt sich jedes Körpergewebe züchten, das möglicherweise einmal zur Behandlung von Parkinson, Herzinfarkt oder Diabetes dienen könnte.

Darüber hinaus besitzen sie einen entscheidenden Vorteil: Da sie aus Körperzellen des Patienten gewonnen werden, haben sie alle das Patientenerbgut und werden vom Körper nicht abgestoßen. Das ist bei embryonalen Stammzellen nur über das stark umstrittene und in Deutschland verbotene therapeutische Klonen von Embryonen möglich. Weil ipS-Zellen ohne Zerstörung eines Embryos erzeugt werden, gelten sie als ethisch unbedenklich.
Gen-Faktoren sukzessive reduziert
Anfangs mussten Forscher zur Gewinnung von ipS-Zellen noch vier Erbanlagen einschleusen, die Gene Oct4, c-Myc, Klf4 und Sox2. Klf4 und c-Myc fördern jedoch die Tumorentstehung, wenn sie künstlich in die Zelle gebracht werden.

Deshalb suchten Wissenschaftler Wege, eine Reprogrammierung mit weniger eingeschleusten Genen zu erreichen. Auch Schölers Gruppe hatte ipS-Zellen zuvor bereits mit nur zwei Erbanlagen erzeugt, wobei jedoch stets eines der Krebsgene nötig war.
Der zentrale Schalter der Lebensuhr
Bei Nervenstammzellen von Mäusen beobachteten die Forscher, dass die Gene c-Myc, Klf4 und Sox2 darin bereits von sich aus aktiv waren. Tatsächlich genügten die Einschleusung von Oct4 und drei bis vier Wochen Geduld, um aus den Nervenstammzellen embryoähnliche ipS-Zellen zu erhalten, die sich im Labor zu Geweben aller drei Keimblätter züchten ließen. Oct4 ist nach Erkenntnissen der Münsteraner der zentrale Schalter, um die Lebensuhr einer Zelle zurückzudrehen.
Ziel: "Null Gene"
Obwohl die Gene c-Myc und Klf4 in den Zellen von sich aus aktiv sind, bedeutet das kein erhöhtes Tumorrisiko, betonte Schöler: "Die Gene der Zelle werden richtig reguliert. Probleme gibt es erst, wenn sie Gene zusätzlich in die Zellen einbringen und die dann dort aktiv sind, obwohl ihre natürlichen Versionen eigentlich abgeschaltet sind." Ziel ist es dennoch, eine Rückprogrammierung ganz ohne zusätzliche Gene zu erreichen. "Auch das eingeschleuste Oct4 wollen Sie da nicht haben, weil auch ein falscher Einbau ein Risiko birgt", erläuterte Schöler.

Deshalb suchen die Forscher einen Weg, ganz auf das Einschleusen von Zellen zu verzichten. Schöler ist optimistisch: "Zuerst waren vier Gene nötig, dann drei, zwei und jetzt eins - danach kommt null. Wir sind jetzt quasi kurz vorm Ziel." Eine Möglichkeit könnte sein, das zelleigene Oct4 mit sogenannten Small Molecules, kleinen bioaktiven Substanzen, zu aktivieren.

[science.ORF.at/dpa, 5.2.09]
->   Hans Schöler
->   Stammzellen - Wikipedia
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01.01.2010