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200. Geburtstag von Charles Darwin  
  Vor genau 200 Jahren, am 12. Februar 1809, wurde Charles Darwin geboren. Kaum ein anderer hat unser Denken so nachhaltig geprägt wie der Begründer der Selektionstheorie, allerdings stieß auch kaum ein anderer mit seinen Forschungen auf so massive Vorbehalte.  
Mit Füßen getreten
Selbst heute noch wird Charles Darwin mit Füßen getreten. Allerdings fast nur von Touristen. In der Londoner Westminster Abbey ruht der britische Naturforscher in den Boden eingelassen.

Dass ausgerechnet Darwin, der die biblische Schöpfungsgeschichte widerlegte, in diesem ehrwürdigen Gotteshaus begraben ist, spricht Bände. Zum Zeitpunkt seines Todes musste selbst die Kirche die Bedeutung des Mannes akzeptieren, der für seine Evolutionstheorie als "Ketzer" und "Affe" beschimpft wurde.
Sammelleidenschaft von Kindesbeinen an
Die Geschichte von Charles Darwin begann weniger revolutionär, als er am 12. Februar vor 200 Jahren in dem mittelenglischen Städtchen Shrewsbury auf die Welt kam. Niemand in der wohlhabenden Familie ahnte, dass die Sammelsucht des kleinen Charles' Antrieb seines späteren Weltruhms war: Käfer, Fliegen, Würmer - er sammelte alles, was er auf den Wiesen von Shrewsbury finden konnte.

Statt sich in dem Internat, in dem er nach dem Tod seiner Mutter mit acht Jahren geschickt wurde, den strengen Regeln zu fügen, machte er mit seinem Bruder lieber Chemie-Experimente im Geräteschuppen zu Hause. Sehr zum Ärger seines Vaters: "Du wirst eine Schande für dich und deine Familie sein", schimpfte der Arzt einmal.
Mit der "Beagle" nach Südamerika
Dass es anders kommen würde, war auch noch nicht abzusehen, als Darwin sein Medizinstudium im schottischen Edinburgh begann, bei dem er sich allerdings grandios langweilte und nach zwei Jahren aufgab. Aus heutiger Sicht wesentlich verwunderlicher war seine zweite Wahl: Er schrieb sich in Cambridge als Student der Theologie ein und schloss dieses Studium auch ab.

Aus der Zukunft als Dorfpfarrer wurde allerdings nichts - dank einer Reise, die Darwins Leben umkrempeln und das kirchlich geprägte Weltbild ein für alle Mal verändern würde: Im Jahr 1831 suchte der Kapitän Robert FitzRoy einen naturwissenschaftlichen Begleiter für die Reise nach Südamerika auf dem Vermessungsschiff "Beagle".

Obwohl Darwin sofort eine schreckliche Seekrankheit heimsuchte, war er begeistert darüber, was er sah. "Es war, wie einem Blinden Augen zu geben", erklärte er.
Der erste Stammbaum
Anhand von Vögeln, die er auf den Galapagos-Inseln entdeckte, fragte sich Darwin wohl zum ersten Mal, wie die Arten verbunden sind. In ein kleines Notizbuch kritzelte er nach der Rückkehr von der fünfjährigen Reise: "I think" (Ich denke), darunter ein Mini-Evolutionsdiagramm, das einen Stammbaum der Arten andeutete. Es sollte allerdings noch mehr als zwei Jahrzehnte dauern, bis er seine Theorie vorstellte.

Darwin arbeitete zwar in London und später in seinem Anwesen in Downe südlich der Hauptstadt wie ein Besessener an Beweisen. Er untersuchte nicht nur tausende eingelegte und getrocknete Arten, die er von seiner Reise zurückgebracht hatte, sondern auch alles, was sich in seinem weitläufigen Garten tummelte. Geplagt von ständigen Krankheiten musste er aber immer wieder aussetzen. Erholung bot ihm seine Frau Emma und seine Kinderschar, die in dem großen Haus herumtollte.
Eine Theorie "wie ein Mordgeständnis"
Mit der Veröffentlichung zögerte Darwin auch, weil er wusste, welche Kontroversen er in der viktorianischen Gesellschaft auslösen würde. Die kirchliche Schöpfungslehre umzustoßen, fiel selbst einem anerkannten Wissenschaftler wie ihm nicht leicht. Zumal seine Frau - eine Cousine aus der angesehenen Wedgwood-Familie - streng gläubig war. Seine Theorie sei, "wie einen Mord zu gestehen", schrieb Darwin einmal.

Es war ein Brief von einem gewissen Alfred Russel Wallace, der Darwin im Juni 1858 aufschreckte. Der junge Naturforscher streifte durch Südostasien und tüftelte an einer fast identischen Theorie. Darwin war kein arroganter Mann und schätze die Arbeit der Kollegen, aber die Butter wollte er sich nicht vom Brot nehmen lassen.
Gemeinsamkeit mit Wallace
So wurde am 1. Juli 1858 seine Theorie gleichzeitig mit der von Wallace in London vorgestellt. Die zentrale These: Es ist keine übernatürliche Macht nötig, um die Vielfalt der Arten zu erklären. Und: Alle Arten haben über die natürliche Selektion einen gemeinsamen Vorfahren. Doch am Tag, als die größte Revolution seit Kopernikus begann, war weder einer der Verfasser anwesend (Darwin trauerte gerade bitterlich um den Tod eines seiner zehn Kinder) noch ging ein Aufschrei um die Welt.

Dies geschah erst ein Jahr später, als Darwin am 24. November 1859 "Die Entstehung der Arten" veröffentlichte. Der Schock saß tief, das Weltbild lag in Trümmern: Konnte es sein, dass Menschen mit Affen verwandt sind? Karikaturen von Darwin im Affenkörper machten die Runde.
Affenabstammung wie Einmaleins
"Abgestammt von den Affen! Lasst uns hoffen, dass es nicht wahr ist, aber falls doch, lasst uns beten, dass es nicht allgemein bekannt wird", drückte die Frau des Bischofs von Worcester ihr Entsetzen aus. Es wurde aber bekannt. Und Darwin, der zum Zeitpunkt seines Todes 1882 Agnostiker war, liegt in der weltberühmten Londoner Abtei begraben. Für Agnostiker ist die Existenz Gottes weder bewiesen noch widerlegt.

Der Streit zwischen Kreationisten, die aus religiösen Gründen die Evolutionstheorie infrage stellen, und der Wissenschaft läuft allerdings weiter. So wurde der britische Naturforscher David Attenborough kürzlich für seine Dokumentation zum Darwin-Jubiläum mit Hass-Mails angegriffen - was seine Überzeugung jedoch nicht änderte: "Es ist, als würde man sagen, zwei und zwei ist vier, aber wenn Du daran glaubst, dann könnte es auch fünf sein. Evolution ist keine Theorie, sie ist ein Fakt."

Annette Reuther, dpa, 12.2.09
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01.01.2010