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Das Gold, das kracht
Wiener Forscher untersuchen Knallgold
 
  Knallgold ist eine geheimnisvolle Substanz. Es kann in fast jedem Labor als Nebenprodukt entstehen und ist hochexplosiv, seine chemische Formel und Struktur ist jedoch unklar. Seit dem 18. Jahrhundert versuchen Chemiker sie zu ergründen. Forscher des Wiener Atominstituts haben sich nun wieder daran versucht: Doch je genauer man die Substanz untersucht, umso weniger scheint man zu wissen.  
Altbekannter Unbekannter
"Wer sie nicht kennte, die Elemente, ihre Kraft und Eigenschaft, wäre kein Meister über die Geister", sagt Goethes Faust und ruft den Teufel herbei. Ganz so weit müssen Wissenschaftler auf der Suche nach Weisheit heute nicht gehen. Leicht haben sie es dennoch nicht immer. Etwa dann, wenn sie wissen wollen, was genau Knallgold ist.

Chemiker des Wiener Atominstituts und der Ludwig-Maximilians-Universität in München haben den Stand des Wissens zusammengetragen (Gold Bulletin, Bd. 41, S. 305). Man weiß, aus welchen Atomen Knallgold besteht, aber seine chemische Formel suchen Wissenschaftler bisher vergebens - und sie bleibt weiterhin unbekannt.
Alchemistischer Ursprung
Dabei kennt man die Substanz seit langem: Sie wird zum ersten Mal 1585 erwähnt - in einem Werk des deutschen Alchemisten Sebald Schwaertzer über die Herstellung des Steins der Weisen.

Knallgold entsteht, wenn Goldverbindungen mit Ammoniak reagieren. Das gelblich-braune Pulver explodiert unter Druck oder Wärme. Während man sich zunächst noch mit der Methode beschäftigte, wie man den explosiven Stoff herstellen kann, suchte man später auch nach der chemischen Formel und Struktur.
Vergoldung und akademisches Interesse
 
Bild: Johannes Sterba

Bei der Explosion von Knallgold entsteht purpurner Rauch (Bild: Johannes Sterba)

Die Suche nach dem Wesen des Knallgoldes wird heute nur aus akademischem Interesse betrieben. Praktische Anwendung hat es laut Studienautor Georg Steinhauser vom Atominstitut keine. Um daraus Sprengstoff herzustellen, wäre das goldhaltige Ausgangsmaterial viel zu teuer.

Im 17. Jahrhundert wusste der Chemiker Johann Rudolf Glauber jedoch sehr wohl etwas damit anzufangen. Bei der Explosion entsteht feinster Goldstaub, der in der Wolke als purpurner Rauch wahrgenommen wird. Glauber vergoldete damit Gegenstände, die er einfach in die Nähe des explodierenden Pulvers hängte. "Er muss Unmengen von Knallgold hergestellt und verbraucht haben", sagt Steinhauser.
Kein Knallgold gleicht dem anderen
Knallgold zu erzeugen, klingt aus heutiger Sicht simpel. Man mischt zwei in Laboratorien gängige Substanzen und fertig ist der Sprengstoff. Aber die Substanz ist unberechenbar. Der Grund dafür ist der gleiche, warum man bisher noch keine chemische Formel weiß: Jedesmal, wenn es hergestellt wird, hat es eine andere Struktur.

"Wir wissen, dass es ein Polymer ist", sagt Steinhauser, "eine Art dreidimensionales Spinnennetz". Aber das Netz sieht jedesmal anders aus. "Im 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts glaubten Chemiker, sie hätten das Rätsel gelöst", sagt Steinhauser. Die Formel blieb jedoch eine ungefähre. Spätere Analysen zeigten, dass man nur den Grundbaustein des Netzes kennt: ein Goldatom, das an vier Stickstoffatome gebunden ist. Außerdem kommen Wasserstoff, Sauerstoff und Chlor vor.

Dieser Grundbaustein wurde durch neue Analysen für die nun veröffentlichte Studie bestätigt, mehr zur Struktur lässt sich jedoch nicht sagen. "Normalerweise weiß man über einen Forschungsgegenstand mehr, je länger man ihn untersucht. Bei Knallgold ist es umgekehrt", sagt Steinhauser.
Gefahr im Labor
 
Bild: Johannes Sterba

Knallgoldexplosion im Labortest (Bild: Johannes Sterba)

Auch wenn Knallgold heute keinen Nutzen hat, entsteht es im Labor oft als Nebenprodukt. Goldverbindungen beschleunigen chemische Reaktionen oder werden zur Produktion von Nanomaterialien verwendet. Damit kommen sie häufig vor, ebenso wie die zweite Ausgangssubstanz, Ammoniak. Geraten beide aneinander, können Unfälle passieren.

Ein solcher widerfuhr dem bekannten Chemiker Jöns Jakob Berzelius, als er im Jahr 1809 mit zehn Gramm Knallgold hantierte. Er soll danach Monate in einem dunklen Zimmer verbracht haben, bis sich seine Augen wieder erholt haben.

Steinhauser und seine Kollegen weisen in ihrer Publikation daher darauf hin, wie man sicher mit Goldverbindungen und Ammoniak im Labor hantiert. Bei den eigenen Experimenten verwendeten die Forscher nur kleine Mengen Knallgold und schützten sich mit dicken Lederjacken, Brillen, Handschuhen und Ohrenschützern. Bei großen Mengen sind auch Helm und Visier angebracht. "Man sieht dann aus wie beim Entminungsdienst", so Steinhauser.

Mark Hammer, science.ORF.at, 17.2.09
->   Strahlenphysikalische Analytik & Radiochemie, Atominstitut
->   Jürgen Evers, Ludwig-Maximilians-Universität München
->   Johann Rudolf Glauber (Wikipedia)
->   Jöns Jakob Berzelius (Wikipedia)
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Eheringe: Jährlich werden 16,5 Kilo Gold abgenutzt
 
 
 
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01.01.2010