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Open Access: Vor allem Entwicklungsländer profitieren  
  Ob Artikel einer wissenschaftlichen Zeitschrift später zitiert werden, hängt auch mit der Art ihrer Veröffentlichung zusammen. Ihre freie Verfügbarkeit im Internet spiele dabei eine Hauptrolle, meinen vor allem die Fürsprecher von "Open Access". Die bisher größte Studie zu dem Thema kommt zu einem etwas moderateren Schluss.  
Wer seine Artikel gratis zugänglich macht, darf im Vergleich zu Bezahlartikeln nur mit einer acht Prozent höheren Chance rechnen zitiert zu werden, haben James Evans und Jacob Reimer von der Universität Chicago herausgefunden.

Dies ist allerdings nur ein Durchschnittswert. Für Entwicklungsländer ist die Bedeutung von Open Access deutlich größer, schreiben die Forscher.
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Ihre Studie "Open Access and Global Participation in Science" ist in der aktuellen Ausgabe von "Science" erschienen (Bd. 323, S. 1.025).
->   Science
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Szientometrisch umstritten
Nahezu alle wichtigen wissenschaftlichen Zeitschriften sind mittlerweile im Internet vertreten. Die Veröffentlichungspraxis ist aber sehr unterschiedlich: Bei manchen sind alle Artikel kostenpflichtig, manche bieten sie nach Ablauf einer bestimmten Zeit gratis an, einige wenige setzen gleich auf "Open Access".

Ob letzteres tatsächlich des Pudels Kern ist, der die Verbreitung von Wissen erleichtert, ist selbst in jener Zunft umstritten, die sich mit der Messung von Wissenschaft beschäftigt: der Szientometrie.

Von einer Verdopplung der Zitate durch Open-Access-Studien sprach eine Untersuchung aus dem Jahr 2005 (Information Processing & Management, Bd. 41, S. 1395), zu ähnlichen Resultaten kam eine Studie in der Open-Access-Zeitschrift (!) "PLoS", die sich die Zitatenentwicklung der Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)" angesehen hat (PLoS Biology, 4(5): e157).

Auf der anderen Seite gibt es Studien, die überhaupt keine oder negative Effekte festgestellt haben: Philip Davis kam etwa im Vorjahr zum Schluss, dass Bezahlartikel sogar eine - zwar geringe, aber doch - höhere Wahrscheinlichkeit haben, zitiert zu werden als Open-Access-Artikel (British Medical Journal, Bd. 337, a568).
26 Millionen Artikel ausgewertet
Den nach Eigenangaben bisher größten Versuch, diese Frage zu klären, haben nun James Evans und Jacob Reimer von der Universität Chicago unternommen. Sie verwendeten gleich mehrere Zitationsdatenbanken von Thomson Scientific, die Artikel von über 8.000 der meistzitierten Journale seit 1945 enthielten.

So kamen sie auf die stattliche Zahl von 26 Millionen Artikel aus Fachzeitschriften, die bis 2006 im Internet erschienen waren. 88 Prozent dieser Artikel wurden auf Englisch verfasst, wie Evans und Reimer hervorheben.
Für Interdisziplinäres wichtig, für die Physik weniger
Die Hauptaussage der Studie von Evans und Reimer: Die Online-Verfügbarkeit von Artikeln steigert generell ihre Wahrscheinlichkeit zitiert zu werden. Dies liegt in erster Linie daran, dass Forscher über die Abos ihrer Hochschulen auf die Studien zugreifen. Ein freier Zugang erhöht dabei die Chance weiter - im Schnitt um acht Prozent.

Innerhalb der Naturwissenschaften profitierten interdisziplinäre Zeitschriften am meisten von der Open-Access-Praxis: Autoren dieser Journale wurden deutlich häufiger zitiert, sobald ihre Artikel frei zugänglich wurden.

Vor allem in der Physik, aber auch in der Chemie ist das anders. weil Preprint-Server wie arXiv.org bereits vor der Veröffentlichung in der Fachzeitschrift zur Diskussion der jeweiligen Arbeiten einladen, gibt es bei diesen Fächern durch Open Access keine zusätzliche Aufmerksamkeit.

Ähnliches gilt auch für die Sozialwissenschaften: Bei ihnen sei die Praxis der Vorab-Veröffentlichung auf persönlichen Homepages weit verbreitet, schreiben die Forscher.
Unterschiede zwischen Nord und Süd
Aufschlussreich sind auch ihre sozioökonomischen Befunde: So ist die Wahrscheinlichkeit, dass online verfügbare Bezahlartikel zitiert werden, in den reichen Ländern der nördlichen Halbkugel doppelt so hoch wie bei Open-Access-Artikeln.

Autoren und Autorinnen in den Entwicklungs- und Schwellenländern werden hingegen durch Artikel mit freiem Zugang hingegen deutlich öfter zitiert. Allerdings fällt der Unterschied umso geringer aus, je ärmer die Länder sind. Der Grund: Sie verfügen über vergleichsweise wenig Zugang zum Internet.

Reimer und Evans schließen daraus: "Auch wenn der Einfluss von Open Access insgesamt bescheidener ist, als von vielen bisher angenommen, unterstreicht unsere Studie klar, dass der freie Zugang zu Information den globalen Kreis jener erweitert, die an Wissenschaft teilnehmen und von ihr profitieren."

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 20.2.09
->   James Evans, Universität Chicago
->   Thomson Scientific
->   arXiv.org
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Michael Nentwich: Die Zukunft von Cyberscience
->   Open-Access-Studien werden häufiger zitiert
->   Open Access - Wissenschaft zur freien Entnahme
 
 
 
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01.01.2010