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Gentherapie gegen Rheuma  
  Etwa ein Viertel der Österreicher leiden an rheumatischen Erkrankungen, in Europa rund 103 Millionen Menschen. Die Suche nach neuen Medikamenten und Therapien läuft auf Hochtouren. So stellen unter anderem auch Wiener Wissenschaftler im Rahmen des europäischen Rheuma-Kongresses ihre Erfolge mit Gentherapie - Verfahren vor.  
Fortschritte auf dem Gebiet der Rheumatherapie
Neue Rheuma-Medikamente haben die selbe Wirkung aber weitaus weniger Nebenwirkungen wie die Älteren. Die Kombination von modernen Biotech-Arzneimitteln mit synthetischen Wirkstoffen helfen auch Patienten mit chronischer Polyarthritis, bei denen das Leiden bisher nicht beherrscht werden konnte.

Und schließlich arbeiten viele Forscher - darunter auch eine Arbeitsgruppe von der Wiener Universitätsklinik am AKH bereits an Gentherapie-Verfahren gegen das Rheuma. - Das sind einige Highlights des derzeit in Prag ablaufenden Europäischen Rheuma-Kongresses.
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Was ist Rheuma?
Heute werden unter dem Begriff Rheuma alle Krankheiten im Bereich des Bewegungsapparates (Gelenke, Gelenkskapseln, Knochen, Muskulatur oder Sehnen), die nicht durch eine Verletzung oder durch tumoröse Veränderungen hervorgerufen worden sind, zusammengefasst. Rheumatische Erkrankungen beschränken sich allerdings nicht nur auf den Bewegungsapparat. Da ''Rheuma'' zumeist eine Erkrankung von Bindegewebsstrukturen ist und Bindegewebe praktisch überall im Körper vorhanden ist, können fast alle Organe im Körper bei einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung betroffen sein.
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Verursacher Nr. 1: Tumornekrosefaktor alpha
''Die rheumatoide Arthritis wie z. b. Gelenksrheuma oder chronische Polyarthritis, ist der Prototyp einer zerstörerischen entzündlichen Erkrankung. Die vermehrte Produktion von Tumornekrosefaktor alpha löst die Entzündung aus und ist die treibende Kraft hinter der Erkrankung und führt zur Zerstörung der betroffenen Gelenke'', schrieb Dr. Georg Schett von der Abteilung für Rheumatologie der Universitätsklinik für Innere Medizin III am Wiener AKH in der Zusammenfassung seiner Arbeit, die in Prag präsentiert wird.
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Tumornekrosefaktor alpha
TNF-alpha verursacht eine vermehrte körpereigene Produktion von Enzymen, welche den Gelenksknorpel angreifen. Wichtig sind dabei die so genannten Metalloproteinasen.
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Gentherapie bei Mäusen erfolgreich
Schett von der Rheumatologie-Abteilung unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Josef Smolen erprobte das Einschleusen eines Gens für einen natürlichen ''Widerpart'' der Metalloproteinasen in Labormäuse, die genetisch so verändert worden waren, dass es bei ihnen zu einer erhöhten körpereigenen TNF-alpha-Produktion und somit zu Rheuma-ähnlichen Erkrankungen kam.
Weniger Schwellungen und geringere Schäden
Bei den Tieren wirkte sich die Gentherapie gut aus: Es wurden weniger Schwellungen und eine bessere Griffstärke der Pfoten beobachtet, wenn man die Gentherapie bei Ausbruch der rheumatischen Erkrankung anwendete.

Bei Röntgenuntersuchungen der Mäuse stellte sich heraus, dass die behandelten Tiere auch weniger Schäden an den Gelenken aufwiesen. Die Wissenschafter: ''Die Ergebnisse deuten am lebenden Organismus auf eine zentrale Rolle der Metalloproteinasen bei Gewebeschäden hin, die durch TNF-alpha bedingt sind (...).''

Laut den Medizinern könnten diese Enzyme ein Ziel für künftige Therapien sein. Auch wenn das erst Ansätze für eine mögliche Gentherapie gegen Rheuma sind, beweisen diese Arbeiten aber auch, dass die Metalloproteinasen wichtig für das Entstehen der Symptome sind und ihre Hemmung daher einen Vorteil bieten könnte.
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Die chronische Polyarthritis
Verkrüppelte Hände, deformierte Fingergelenke, verkümmerte Muskeln der Finger. All dies gehört zum Bild der sogenannten chronischen Polyarthritis, jener Erkrankung, die das Bild von Rheuma in der Bevölkerung wohl am stärksten prägt. Die chronische Polyarthritis ist eine Entzündung, deren Ursachen nach wie vor ungeklärt sind. Typischerweise betroffen sind kleine Gelenke (Fingergelenke, Zehengelenke), ebenso typisch ist der sogenannte ''symmetrische'' Befall, d.h. eine Beteiligung beider Daumengrundgelenke. Mit fortschreitender Krankheitsdauer kommt es zur Zerstörung von Knorpel- und Knochensubstanz. Die chronische Polyarthritis führt zu einer Fehlstellung der Gelenke und zu Muskelschwund, vor allem an den Händen. Die Entzündung verläuft in Schüben und führt bei einem Großteil der Betroffenen innerhalb weniger Jahre zu Deformierungen der Hände und Füße und im schlimmsten Fall droht ein Leben im Rollstuhl.
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COX - 2 - Hemmer und Co.
Bei dem Kongress wurden auch Studien mit bereits existierenden neuen Medikamenten präsentiert. Dazu gehören die so genannten COX-2-Hemmer (z. B. Celecoxib), die Schmerzen und Entzündungen dämpfen. Im Vergleich zu älteren Rheumamitteln ¿ zum Beispiel Acetylsalicylsäure, Dicolofenac, Naproxen etc. - sind sie genau so gut wirksam, führen aber viel seltener zu den als Nebenwirkungen auftretenden Magen- und Darmbeschwerden.
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Cyclooxygenase 2
Cyclooxygenase steuert die Produktion von Prostaglandinen, die wiederum ihrerseits Entzündungsprozesse steuern, anheizen und auch für die damit einhergehenden Schmerzen verantwortlich sind. Seit 1991 weiß man, dass es die Cyclooxygenase in 2 Formen gibt. Die durch die Cyclooxygenase 1 (COX-1) gebildeten Prostaglandine sind sozusagen die ¿guten¿ Prostaglandine. Diese haben positive Wirkungen auf die Magenschleimhaut, die Nierenfunktion, die Blutfluss-Regulation und die Funktion der Blutplättchen. Die Cyclooxygenase 2 (COX-2) hingegen steuert die Produktion jener Prostaglandine, die bei rheumatischen Entzündungen eine unangenehm-schmerzhafte Rolle spielen. Die sogenannten selektiven COX-2 Hemmer unterdrücken nur die Produktion der Cyclooxygenase 2 und bessern auf diese Art und Weise die Symptome entzündlich rheumatischer Erkrankungen und das Fortschreiten der Gelenksschäden.
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Der Vergleich zwischen Alt und Neu
In der so genannten SUCCESS-1-Studie wurde beispielsweise die Wirkung von Celecoxib mit Diclofenac verglichen. An der Untersuchung nahmen rund 13.000 Menschen mit Rheuma in Europa, Südafrika, Asien, Südamerika, den USA und Kanada teil. Das Resultat: Das neue Arzneimittel ist genau so gut schmerzlindernd wie Diclofenac.

Eine weiter Auswertung der wissenschaftlichen Untersuchung auf die auftretenden Nebenwirkungen zeigte folgenden Effekt: ''Verglichen mit den konventionellen Antirheumatika verringerte sich bei der Verwendung von Celecoxib das Risiko für das Auftreten von Magen- bzw. Zwölffingerdarmgeschwüren um fast 87,5 Prozent'', stellten die Wissenschafter unter Führung von Experten der Stanford Universität fest.
Die stärksten Waffen
In den vergangenen Jahren konnten vor allem mit zwei Medikamenttypen große Erfolge erzielt werden. Monoklonale Antikörpern gegen TNF-alpha und biologische Substanzen zur Blockade der TNF-alpha-Rezeptoren. Diese Anti-Rheuma-Medikamente konnten eine bisher nicht gekannte starke Wirkung erzielen.

Laut einer Studie, an der auch die Wiener Rheumatologen teilnahmen, zeigte sich beispielsweise, dass solche Antikörper auch dann gegen die chronische Polyarthritis helfen, wenn das Standard-Medikament Methotrexat versagt.

(APA/red)
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01.01.2010