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Kunsttheoretiker und -praktiker Peter Weibel ist 65  
  Der Medientheoretiker und Museumsleiter Peter Weibel feiert heute seinen 65. Geburtstag. Als Nomade zwischen Wissenschaft und Kunst hat er sich internationales Renommee erworben.  
Seit 1999 ist Weibel Leiter des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe. In einem Interview zu seinem Geburtstag spricht er über inkompetente Politiker und faule Fußballer.
Politiker ideologisch durchtränkt ...
Bild: ONUK KARLSRUHE/APA
Peter Weibel
Am Umgang der Politik mit den öffentlichen Einrichtungen lässt Weibel kein gutes Haar. Denn die "schlimmste Ideologie ist, wenn man sagt, man handelt ideologiefrei".

So sei "vor fünf Jahren gepredigt worden: Das Heil der Gesellschaft liegt in der Privatisierung. Alle funktionierenden Einrichtungen, von der Post bis zur Bahn hat man privatisiert und dann Menschen entlassen. Jetzt heißt es, alles muss verstaatlicht werden, damit ja keine Menschen entlassen werden." Politiker seien "ideologisch vollkommen durchtränkt - und das heißt übersetzt: Sie wissen nicht, was sie tun."
... und inkompetent
"Die Politik ist weder kompetent in Fragen der Wirtschaft - weil sie alle paar Jahre das Gegenteil sagen - noch in der Dynamik der Kultur", so Weibel. Dass der Kultur immer die Höhe der öffentlichen Subvention vorgehalten werde, empört Weibel.

"Die Wirtschaft wird um das Hundertfache gesponsert, auch außerhalb von Krisenzeiten", etwa durch Exportversicherungen, Außenhandelsförderungen etc., betont Weibel in Hinblick auf das derzeitige Tauziehen um zusätzliche Gelder für kulturelle Einrichtungen.
"Fußballer sind faule Millionäre"
"Bei der Kunst zu sparen ist das Gleiche, als ob Eltern selber konsumieren und auf Urlaub auf die Bahamas fahren, aber bei den Kindern sparen." Wenn man dieselben Kriterien wie an die Kultursubvention an den Sport ansetze, dann "müssen die Vereine zusperren", so Weibel. Denn auch im Sport sei "alles subventioniert - die Fußballspieler sind faule Millionäre, aber das Geld kommt vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk und der Werbung, nicht vom zahlenden Zuseher."

In ein Ticket am Fußballplatz "geht mehr öffentliches Geld hinein als in eine Opernkarte". Und "mehr Leute gehen in die Museen als zu Sportveranstaltungen. Das ist in den Köpfen der Politiker noch nicht gelandet."
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Modallogiker und Experimentalfilmer
Geboren wurde Weibel am 5. März 1944 in Odessa. Nach Studien der Literatur, Medizin, Logik, Philosophie und des Films in Paris und Wien dissertierte er über mathematische Logik (Modallogik). Von der visuellen Poesie, Textaktionen und Aktionstexten zu Beginn der 60er Jahre fand Weibel zur "erweiterten Filmform" mit Aktionsfilmen, Filmaktionen und zu körperbezogenen Aktionen. Früh wandte er sich auch den Fragen der Computerkunst zu. In seinem Werk verwendete Weibel ab 1966 bereits interaktive Praktiken und 1980 die ersten interaktiven Computerinstallationen. Nach den wilden Jahren des Wiener Aktionismus, war Weibel in den 70er Jahren - gemeinsam mit Valie Export - eine der prägenden Erscheinungen des österreichischen Experimentalfilms.
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Kopf der Kultur ist die Wissenschaft
Die Frage der Kulturförderung ist für Weibel untrennbar mit der Wissenschaftsförderung verbunden. "Der Kopf der Kultur ist die Wissenschaft", so Weibel. "Und der Fisch beginnt am Kopf zu stinken." Dass es derart wenig an Unterstützung und Finanzmitteln für Wissenschaft gebe, ist ein "Alarmsignal, dass die Gesellschaft ihren eigenen Reichtum verkennt."

Weibel hat aus diesem Grund die Petition an die Bundesregierung "für die Sicherung von Forschung und Innovationen in Österreich" der Initiative "Forschung ist Zukunft" unterzeichnet.

"Wenn selbst die braven Akademiker protestieren, ist das wirklich ein Alarmsignal."

[science.ORF.at/APA, 5.3.09]
->   Peter Weibel, ZKM
->   Peter Weibel, Wikipedia
 
 
 
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01.01.2010