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Bürokratie hemmt EU-Forschungsförderung  
  Nahezu jeder, der es schon einmal mit dem Amtsschimmel der EU zu tun gehabt hat, weiß davon ein Lied zu singen. Antrag und Verwaltung von EU-Forschungsförderungen erfordern viel Geduld. Die Überprüfung des sechsten Forschungs-Rahmenprogramms belegt es nun zum Teil schwarz auf weiß: Die Bürokratie bei der Antragsstellung behindere die Teilnahme von Forschern und Forscherinnen.  
Die Versuche von Seiten der EU-Kommission, das Teilnahmeverfahren zu vereinfachen, seien "zögerlich" heißt es in einer Studie. Sie plädiert für eine Generalüberholung des administrativen Ablaufs.
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Die Studie "Evaluation of the sixth framework programmes for research and technological development" wurde von einer Gruppe europäischer und amerikanischer Forscher im Auftrag der EU-Kommission durchgeführt, österreichische Beteiligung gab es nicht. Ihre Ergebnisse wurden Ende Februar bei der Konferenz "Eurofordia" in Prag präsentiert.
->   Die Studie (pdf-Datei)
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Budget von 17,5 Milliarden Euro
Die Vorgeschichte: Die EU-Forschungsminister hatten sich Anfang Dezember 2001 in Brüssel auf das sechste Forschungs-Rahmenprogramm für die Jahre 2002-2006 geeinigt. Es hatte ein Budget in Höhe von 17,5 Milliarden Euro.

Schwerpunkte waren Forschungsgebiete wie die Raumfahrt, die Biotechnologie und die Genomforschung zur Bekämpfung von Krankheiten ebenso, wie vor dem Hintergrund der damaligen BSE-Krise, die Lebensmittelsicherheit.

Zurzeit läuft das siebente Rahmenprogramm mit einem Volumen von über 50 Milliarden Euro.
Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser
Ernst Rietschel, der Vorsitzende der Evaluationsgruppe und Präsident der Leibniz-Gemeinschaft in Berlin, meint, dass die im neuen Programm beinhalteten Vereinfachungsmaßnahmen nicht ausreichen. Mit seinen Kollegen schlägt er ein neues Modell vor, das auf Vertrauen basiert: Die Kosten von Forschungsprojekten sollten demzufolge nach ihrer Bewilligung nicht laufend kontrolliert werden.

"Das ganze System gehört geändert. Es muss weggehen von dieser strikten Kontrolle der Finanzen und den Forschern mehr Freiheit geben, ihr Budget selbst zu verwalten", meinte Rietschel gegenüber der Online-Ausgabe von "Nature".
Lange Wartezeiten auf Unterschrift und Geld
Weiters sei es inakzeptabel, dass drei Viertel aller Verträge des sechsten Rahmenprogramms rund 450 Tage bis zur Unterschrift der Kommission gebraucht haben. Auch seien die 60 Tage, die zwischen Vertragsunterzeichnung und Überweisung der Mittel liegen, "unangemessen". "Forschung ist dynamisch. Derartig lange Bearbeitungszeiten zu Projektbeginn funktionieren in der Forschung nicht", so Rietschel.

Mängel in der Administration zählen laut der Studie zu den Hauptursachen, warum Forscher aus öffentlichen oder privaten Institutionen keine Förderungen beantragen. Im Vergleich zum fünften Rahmenprogramm ist die Beteiligung von Unternehmen um vier Prozent gesunken - entgegen dem politischen Ziel, die Forschung angewandter und wettbewerbsorientierter zu machen.
Mehr Junge, mehr Frauen gefordert
Wörtlich heißt es in dem Bericht: "Die komplizierten Anmeldungs- und Vertragsprozeduren sind speziell für erstmalige Antragssteller starke Hindernisse, gleichgültig ob für Forschergruppen, Firmen oder Organisationen von Neuen Mitgliedsstaaten."

Die Forscher empfehlen daher eine neue Praxis bei der Bürokratie, darüberhinaus auch eine stärkere Förderung von jungen Forschern sowie die Erhöhung des Frauenanteils.
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Mehr Forschungsgeld: Beste Antwort auf Wirtschaftskrise
Seit kurzem vergibt der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) Förderungen für grundlagenorientierte Pionierforschung. 7,5 Milliarden Euro stehen dafür bereit. Die aktuelle Evaluationsstudie empfiehlt, dass der ERC komplett unabhängig von der EU-Kommission werden und auch über die Budgets autonom verfügen soll. Prinzipiell sehen die Experten in der Erhöhung von Forschungsbudgets "die beste Antwort und einen visionären Schritt in Zeiten wirtschaftlicher Krisen".
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Kommission reagiert
Die EU-Kommission hat auf die Kritik bereits reagiert. Peter Fisch, der Leiter der Evaluationsabteilung im Forschungsdirektorat meinte laut "Nature", es sei schwierig diese zu ignorieren.

Er verwies auf einige Verbesserungsmaßnahmen im laufenden Programm und versprach weitere für das achte Programm, das 2010 starten wird. Offiziell will die EU-Kommission in einigen Wochen eine Stellungnahme zu der Kritik abgeben.

[science.ORF.at, 9.3.09]
->   6. EU-Forschungsrahmenprogramm
->   European Research Council
->   Eufordia
 
 
 
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01.01.2010