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Ein weiterer Schritt in Richtung Gedankenlesen
Gehirnscanner sagt Position im virtuellen Raum voraus
 
  Gedanken vorherzusagen gehört zu den Lieblingszielen von Gehirnforschern. Von einem Erfolg in dieser Richtung berichten nun britische Wissenschaftler. Ihnen gelang es, die Position ihrer Studienteilnehmer in einem virtuellen Raum einzig aufgrund ihrer Gehirnaktivität vorherzusagen.  
"Damit betreten wir das Gebiet des Gedankenlesens", freut sich Eleanor Maguire, Studienautorin und Neurowissenschaftlerin am University College London.

Auch wenn das übertrieben scheint: Sogenannte Platzzellen im Gehirn, die nur dann aktiv sind, wenn sich ihr Träger an einem ganz bestimmten Punkt befindet, sind von Rattenversuchen zwar seit über 30 Jahren bekannt. Ihr Feuern beim Menschen zu prognostizieren, ist aber tatsächlich eine Innovation.
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Die Studie "Decoding Neuronal Ensembles in the Human Hippocampus" ist am 12.3.09 online in "Current Biology" (doi:10.1016/j.cub.2009.02.033) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Virtueller Raum und Magnetresonanz-Tomograph
 
Bild: Hassabis et al., Current Biology, 14 April 2009

Beispiel eines verwendeten virtuellen Raums

Für ihre Untersuchung hielten sich die Forscher an vier geübte männliche Videospieler. Sie bekamen die Aufgabe, sich in einer virtuellen Umgebung zwischen verschiedenen Punkten zu bewegen und dort jeweils zu verweilen. Bei der Grafikengine handelte es sich um eine veränderte Version des bekannten Videospiels "Fable".

Während die Probanden in ihrer Virtuellen Realität (VR) umherwanderten, wurde ihre Gehirnaktivität mit Hilfe eines Magnetresonanz-Tomographen (MRT) verfolgt.
Computeralgorithmus findet Zusammenhang
Danach wandten die Forscher einen Computeralgorithmus an, der untersuchte, ob es einen Zusammenhang zwischen der Position im virtuellen Raum und der Aktivität im Hippocampus gibt.

Und genau den gibt es, wie die Gruppe um Demis Hassabis vom University College London berichtet. "Wir können einzig durch die Aktivitätsmuster im Gehirn vorhersagen, wo sich jemand befindet", erklärte er.

"Man kann durch die Methoden tatsächlich einen inneren Gedanken verfolgen," so Hassabis, der selbst aus der Computerspiele-Industrie kam, bevor er sich den Neurowissenschaften zuwandte.
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Taxifahrer haben mehr "Raumhirn"
Eleanor Maguire ist keine Unbekannte in Sachen "Räumliche Wahrnehmung im Gehirn". 2003 wurde sie mit dem "IG Nobelpreis" ausgezeichnet, einem Preis für amüsante Forschungsarbeiten. Sie hatte in einer Studie (PNAS, 11.4.2000) gezeigt, dass die Bereiche des Hippocampus, die für die räumliche Orientierung verantwortlich sind, bei Londoner Taxifahrern größer sind als beim Rest der Bevölkerung.
->   Ig Nobel-Preise 2003
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Schwierige Versuchssituation
Das Versuchssetting war nicht ganz einfach: VR-Equipment und Magnetresonanz-Tomographen vertragen sich nicht gut: VR-Brillen aus Metall etwa würden laut Hassabis durch die Bestrahlung zerstört werden.

Deshalb projizierte das Forscherteam die virtuellen Räume auf zwei Spiegel, die sich direkt über den Augen der Probanden befanden. Mithilfe eines Joystick-ähnlichen Instruments navigierten die Teilnehmer in der VR-Umgebung, während sie in der realen Welt regungslos blieben - eine Grundvoraussetzung für aussagekräftige Daten durch den Tomographen.
Bis zum Gedankenlesen ist es noch weit
Obwohl die Forscher für sich in Anspruch nehmen, die Arbeit des Gehirns in Sachen Raumposition prognostizieren zu können, geben sie sich bei der Frage weiteren "Gedankenlesens" doch vorsichtig: Die Studienteilnehmer handelten "gutwillig" und logen nicht.

"Es wäre sehr einfach nicht zu kooperieren, und dann würde unser Experiment nicht funktionieren", bekannte Hassabis gegenüber BBC online.

Praktische Anwendungen sehen die Wissenschaftler in der Erforschung von Demenzerkrankungen wie z.B. Alzheimer, bei denen Gewebe im Hippocampus reduziert wird. "Wenn wir verstehen, wie Erinnerungen gespeichert werden, könnte das Patienten in der Rehabilitation helfen", so Eleanor Maguire.

[science.ORF.at, 13.3.09]
->   Demis Hassabis (Wikipedia)
->   Eleanor Maguire, University College London
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01.01.2010