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Kalte Fusion wird wieder "heiß"  
  Vor zwanzig Jahren glaubten Wissenschaftler mit der kalten Kernfusion die Lösung aller Energieprobleme gefunden zu haben. Das Ganze entpuppte sich bald darauf als Irrtum, doch nun berichten US-Forscher neuerdings von erfolgreichen Experimenten. Sie sagen: Die kalte Fusion funktioniert doch.  
Cold Fusion made in Utah
Der US-Bundesstaat Utah dürfte ein guter Boden für die kalte Fusion sein. 1989 berichteten die beiden Chemiker Stanley Pons und Martin Fleischmann bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz von einer sensationellen Entdeckung, nämlich der Verschmelzung von Wasserstoffatomen bei lediglich 30 Grad Celsius. Die Veranstaltung an der University of Utah (siehe Video) wurde mit einigem Pomp und Trara abgehalten, schließlich legte das simple, aber wirkungsvolle Experiment nahe, man könne Energie aus Wasser gewinnen - und zwar nahezu unbegrenzt.

Doch die Fusionsblase platzte. Kurz darauf versuchten mehrere Forschergruppen die Experimente zu wiederholen und mussten nach anfänglichen Teilerfolgen ihr Scheitern eingestehen. Im selben Jahr kam eine Kommission des U.S. Department of Energy zu dem Schluss, dass die "Beweise für die kalte Fusion nicht überzeugend sind". Der US-Physiker John R. Huizenga schrieb einige Jahre später ein Buch über diese Episode und fand eine etwas drastischere Formulierung: "Cold Fusion. The Scientific Fiasco of the Century."
Erfolge mit Elektrolyse
Bild:  Pam Boss, Space and Naval Warfare Systems Center (SPAWAR)
Neutronenspuren im Kunstsoff - Hinweis auf Kernfusion?
Doch seit diesem Montag keimen nun wieder Hoffnungen im Lager der Fusionsgläubigen. Auf dem Treffen der American Chemical Society in Salt Lake City, Utah, berichtete die US-Forscherin Pamela Mosier-Boss von Erfolgen bei einer Variante des 1989er-Experiments. Ähnlich wie Pons und Fleischmann hat auch Mosier-Boss eine Elektrolyse mit schwerem (aus Deuterium bestehendem) Wasser durchgeführt, das Ganze allerdings um ein paar technische Kniffe erweitert.

Einer davon ist der Kunststoff "CR-39", der normalerweise bei der Produktion optischer Linsen zum Einsatz kommt, in diesem Fall jedoch dem Nachweis energiereicher Reaktionen diente. Wie Mosier-Boss und ihre Kollegen von der Militärforschungseinrichtung SPAWAR bereits zu Beginn des Jahres im Fachblatt "Naturwissenschaften" (Bd. 96, S. 135) berichtet haben, treten offenbar zwei bis drei Wochen nach Beginn der Reaktion feine, dreiporige Vertiefungen in dem Kunststoff auf - und zwar nur dann, wenn man schweres Wasser verwendet (Bild rechts).

Das spricht dafür, dass energiereiche Neutronen in ein CR-39-Kohlenstoffatom gerast und danach in drei geladene Alpha-Teilchen zerfallen sind, die die entsprechenden Spuren hinterlassen haben. Der Punkt ist aber: Bei der Elektrolyse können nach allgemeiner Überzeugung keine Neutronen mit so hoher Energie entstehen, folglich muss etwas anderes im Reaktionsgefäß passiert sein.
Pro und Contra
Mosier-Boss glaubt, dass Wasserstoffe zu Helium verschmolzen sind und erhält Zustimmung von ihrem Fachkollegen Peter Hagelstein: "Aus meiner Sicht ist das ein Effekt der kalten Fusion", sagte der MIT-Forscher kürzlich gegenüber dem "New Scientist". Kritische Stimmen hat das britische Magazin ebenfalls eingeholt, etwa beim US-Physiker Allan Widom, der eine weitaus weniger spektakuläre Kernreaktion am Werke sieht, jedenfalls keine Fusion.

Womit die Debatte mit leicht veränderten Vorzeichen wieder beim Stand 1989 angekommen scheint. Ob die Wiederholung der Geschichte nun als Farce oder doch als Fortschritt auftritt, bleibt abzuwarten.

Robert Czepel, science.ORF.at, 25.3.09
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01.01.2010