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Asteroid "2008 TC3": Vor und nach dem Einschlag  
  Was sich letzten Oktober rund um den Einschlag eines Asteroiden über der nubischen Wüste abgespielt hat, gleicht einem Hollywood-Film: Das erste Mal war ein Himmelskörper beinahe zufällig entdeckt worden, kurz bevor er in die Atmosphäre eintrat. Weltweit konnten Astronomen das Ereignis live verfolgen.  
Nach dem exakt berechneten Einschlag machten sich Forscher auf die Suche nach den Überresten. Er gehört zu einer recht seltenen Klasse von Meteoriten, zudem lassen sich durch den Fund nun erstmals astronomische Beobachtungen mit Laboranalysen abgleichen, wie das Team um Peter Jenniskens berichtet.
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Der Artikel "The impact and recovery of asteroid 2008 TC3" von Peter Jenniskens et al. ist in der aktuellen Ausgabe von "Nature" (Bd. 458, 26. März 2009, DOI: 10.1038/nature07920) erschienen.
->   Zum Abstract der Studie
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Eine ganz gewöhnliche Beobachtung
6. Oktober 2008: Es war ungefähr Mitternacht, als ein weißer Punkt über den Bildschirm von Richard Kowalskis Computer im Observatorium am Mount Lemmon in Arizona flackerte: ein Asteroid - grundsätzlich nichts Ungewöhnliches. Wie üblich leitete er die Daten an das Minor Planet Center in Cambridge weiter. Anders als sonst konnte er aber dieses Mal keine Daten in deren System eingeben.

Erst am nächsten Morgen fand Tim Spahr von Minor Planet Center den Grund dafür: Der Asteroid war einfach für den Computer zu nahe an der Erde. Nach einer Berechnung der Umlaufbahn mit Stift und Zettel war klar, dass das Objekt mit dem Namen "2008 TC3" die Erde treffen werde.
Exakt kalkulierter Einschlag
Gemäß den vorgeschriebenen Prozeduren rief er Lindley Johnson, den Chef des "Near Earth Object Observations programme" der NASA auf seiner Notrufnummer an.

Außerdem kontaktierte er Steve Chesley vom Jet Propulsion Laboratory in Pasadena. Auch dessen Berechnungen ergaben eine Einschlagswahrscheinlichkeit von 100 Prozent und zwar genau für 2 Uhr 46 am nächsten Tag, im Norden des Sudan. Astronomen auf der ganzen Welt wurden informiert: Eine einzigartige Chance einen Asteroiden und seinen Zerfall in Echtzeit zu studieren. 26 Observatorien weltweit dokumentierten den Vorfall.

Und tatsächlich: Zum berechneten Zeitpunkt trat "2008 TC3" mit 12.400 Metern pro Sekunde in die Atmosphäre ein und erzeugte ein hellen Blitz, bevor er in 37 Kilometern Höhe in viele kleine Teile explodierte.
Die Suche nach der Nadel im Hauhaufen
Die meisten Astronomen vermuteten, dass der Himmelskörper restlos verglüht sein muss. Nichtsdestotrotz flogen Peter Jenniskens und seine Studenten vom SETI Institute in Mountain View im darauffolgenden Dezember in den Sudan, um die Überreste des Meteoriten zu suchen. Großflächig durchkämmten sie das Gebiet unter dem beobachteten Einschlag und wurden auch fündig.

Im Laufe der Suche fanden sie insgesamt 47 Meteoritenstücke mit einem Gesamtgewicht von 3,95 Kilogramm. Zurück in den USA wurden die Bruchstücke in mehreren Laboren genauen Analysen unterzogen.
"Himmlische" Beobachtungen und irdische Analysen
Üblicherweise wird die chemische Zusammensetzung von Asteroiden von der Erde aus studiert, und zwar indem man das Spektrum des von ihnen reflektierten Lichts analysiert.

So erhält man genug Informationen, um sie in größere Klassen zusammenzufassen, aber über ihre detailierte Zusammensetzung erfährt man nichts. Andererseits kann man gefundene Meteoriten sehr genauen chemischen Analysen unterziehen, aber die Methode zeigt nicht, aus welcher Klasse von Asteroiden sie stammen.

Die Überreste von "2008TC3" ermöglichen laut den Wissenschaftlern erstmals einen Zusammenhang zwischen irdischen und "himmlischen" Methoden herzustellen.
Seltenes, fragiles Material
Aufgrund der Form der Fundstücke vermuten die Forscher, dass der Himmelskörper ursprünglich Teil eines größeren Meteoriten gewesen war.

Bei der Analyse fanden die Wissenschaftler große Stücke von Kohlenstoff und mineralischen Zuckerkristallen ähnliche Körner. "Extrem 'gargekochte' graphitartige Kohle ist der wesentliche Bestandteil des Meteoriten", so Andrew Steele von der Carnegie Institution in Washington. Demnach muss er in seiner Geschichte extrem hohen Temperaturen ausgesetzt gewesen sein. Das könnte unter Umständen neue Einblicke in die Entstehung von Planeten liefern.

Chemischen Analysen zufolge gehört der Himmelskörper zu einer sehr seltenen Klasse von Meteoriten, jener der Ureilite, bestehend aus einem extrem fragilen Material, weswegen sie bis jetzt kaum gefunden wurden.

Laut den Himmelsbeobachtungen gehört der Asteroid zur sogenannten F-Klasse von Körpern, die sehr wenig Licht reflektieren. Das deutet laut Glenn MacPherson von der Smithsonian Institution in Washington D.C. darauf hin, dass F-Klasse-Asteroiden oft aus Ureiliten bestehen. Dieser Zusammenhang sei auch wichtig für zukünftige Beobachtungen.
Noch genauere Beobachtungen werden möglich
Denn auch wenn es um die Verhinderung eines möglichen gravierenden Asteroideneinschlags geht, könnte das Wissen um seine Zusammensetzung durchaus hilfreich sein, meint etwa Don Yeomans von der NASA in einem begleitenden News Feature von Roberta Kwok in derselben Ausgabe des "Nature".

Beruhigenderweise werden laut Yeomans durch moderne Beobachtungsmethoden immerhin etwa 90 Prozent aller erdnahen Objekte aufgespürt, dennoch: "Die Entdeckung von '2008TC3' war wie die eines Mannes im dunklen Anzug weiter weg als der Mond", so sein Entdecker Richard Kowalski.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 26.3.09
->   Peter Jenniskens
->   SETI Institute
->   Carnegie Institution of Science
->   NASA
->   Jet Propulsion Laboratory
->   Smithsonian Institute
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