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Einsteins Hirn wurde erneut vermessen  
  Gehirnscans mit modernen bildgebenden Verfahren hat es zu seiner Zeit noch nicht gegeben: Dennoch wollten Forscher auch schon nach dem Tod von Albert Einstein 1955 wissen, wie das Oberstübchen des berühmtesten aller Physiker aussieht. Zu diesem Zwecke wurde sein Gehirn entfernt, Teile davon konserviert und fotografiert.  
Die Studien, die versucht haben, mit ihrer Hilfe die Genialität von Einstein zu erklären, sind umstritten. Die US-Anthropologin Dean Falk hat sich nun dennoch wieder in dieser Art Gehirnforschung versucht.

Ihr Schluss: Einsteins Gehirn wies tatsächlich einige Eigenheiten auf, die mit seine Art zu denken, aber auch mit seiner hohen Musikalität zusammenhängen könnten.
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Die entsprechende Studie "New Information about Albert Einstein's Brain" ist online in der Fachzeitschrift "Frontiers in Evolutionary Neuroscience" (doi: 10.3889/neuro.18/003.2009/) erschienen.
->   Die Studie
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In 240 Würfeln zerschnitten und fotografiert
Die Gehirne berühmter Menschen - von Lenin bis Einstein - zu untersuchen, hat eine lange Tradition. Diese "Elitengehirnforschung" übersteigt oft die Grenzen zwischen Wissenschaft und Scharlatanerie. Vereinzelt berichten aber auch seriöse Fachjournale über derartige Untersuchungen.

Albert Einstein ist ein spezieller Fall: Nachdem er 1955 im Princeton Hospital in New Jersey gestorben war, wurde sein Gehirn von Thomas Harvey entnommen. Der Spitalspathologe fotografierte und vermaß die graue Substanz so gut er konnte. Schließlich wurde das Gehirn in 240 Würfel zerschnitten und konserviert, Teile der Gewebeproben an Neurowissenschaftler für genauere Untersuchungen verschickt.
Größere untere Parietallappen
Bis es aufgrund dieses Materials zu Veröffentlichungen kam, dauerte es eine ganze Weile. Erst 1999 folgte die erste anatomische Studie eines Forscherteams um die Neurobiologin Sandra Witelson in "The Lancet" (doi:10.1016/S0140-6736(98)10327-6).

Sie zeigte, dass Einstein über 15 Prozent größere untere Parietallappen verfügte als der Durchschnitt - die Gehirnregionen stehen mit räumlichem Auffassungsvermögen und mathematischem Denken in Zusammenhang.
Vorliebe für bildliche Vorstellungen
Nun hat Dean Falk, Anthropologin an der Florida State University in Tallahassee, zugeschlagen. Sie hat sich dabei wie Witelson auf die Fotografien von Einsteins Gehirn gestützt - der einzigen bis heute komplett vorliegenden Quelle. Im Vergleich mit einer Reihe von "Kontrollgehirnaufnahmen" bestätigte sie den Befund der stärker entwickelten unteren Parietallappen.

Dazu fand sie aber auch knotenartige Strukturen im primären somatosensorischen sowie im motorischen Cortex. Gemäß früheren Studien könnten diese Strukturen mit einigen Eigenschaften Einsteins zusammenhängen: darunter mit seiner Vorliebe, sich physikalische Probleme lieber bildhaft als sprachlich vorzustellen. Einsteins Talent als "synthetischer Denker" haben Falk zufolge genauso mit seiner Hirnanatomie zu tun wie sein musikalisches Talent - das Physikgenie spielte seit frühester Kindheit Geige.
Unterschiedliche Bewertung
Die Online-Ausgabe von "Science", die von der Hirnpublikation Falks berichtete, hat einige Neurowissenschaftler auch nach ihrer Einschätzung befragt. Der US-Neurologe Frederick Lepore hält vor allem die Erklärung von Einsteins Musikalität für "faszinierend und überzeugend".

Sein deutscher Kollege Marc Bangert gibt sich zurückhaltender: "Das ist seht spekulativ. Aber so ist es, wenn man nur einige alte Fotos als Datenmaterial zur Verfügung hat."

[science.ORF.at, 20.4.09]
->   Dean Falk, Florida State University
->   Geschichte von Einsteins Gehirn (Dana Foundation)
->   Science News
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Wie sich "Elitegehirne" von anderen unterscheiden (9.12.03)
 
 
 
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01.01.2010