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Chemie-Nobelpreisträger Lehn: "Wir werden wissen"  
  Komplexität und supramolekulare Spezies - das waren die Themen eines Vortrages, den der französische Chemie-Nobelpreisträger Jean-Marie Lehn gestern Abend in Wien gehalten hat.  
Verbindung von Molekülen und Fächern
Jean-Marie Lehn verknüpft, verbindet - nicht nur chemische Elemente: sondern zum Beispiel anlässlich des Haydn-Jahres verbindet er bei seinem Wiener Vortrag Chemie mit Haydns Oratorium "Die Schöpfung": "Aber der gute Joseph hat sich geirrt, denn es ist anders gegangen" - nämlich mit dem Urknall.

Im Rahmen der Carl Auer von Welsbach-Lectures hatte die Akademie der Wissenschaften Interessierte zum Vortrag von Jean-Marie Lehn geladen - er zeigte sich dabei als Mittler zwischen den Wissenschaften.
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Lectures an der Akademie
Bei den Carl Auer von Welsbach Lectures halten insgesamt fünf namhafte Chemiker bzw. Chemikerinnen Vorträge an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Der Namensgeber Carl Auer von Welsbach (1858, Wien - 1929 Mölbling, Kärnten) war übrigens ein österreichischer Chemiker und Erfinder.
->   Die Vortragsreihe zum Nachlesen/Nachschauen
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Supramolekulare Chemie
Der Nobelpreisträger Jean-Marie Lehn gilt nicht nur als Mittler zwischen den Wissenschaften, sondern vor allem als Wegbereiter der "Supramolekularen Chemie": Sowohl unbelebte als auch belebte Materie, sowohl lebende Organismen als auch künstliche Materialien bestehen aus Molekülen und deren übergeordneten Strukturen, die durch die Wechselwirkung der Moleküle ermöglicht werden. Die Chemie schlägt hierbei die Brücke zwischen den Molekülen der unbelebten Materie und den hoch komplexen molekularen Anordnungen und Systemen, die lebende Organismen ausmachen.
Was kommt danach?
Das Immer-komplexer-Werden, die Entwicklung von der geteilten Materie über die kondensierte, die organisierte, die lebende bis zur denkenden Materie zeichnet Jean-Marie Lehn als Gast in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften nach. Und immer wieder wirft er die Fragen in den Raum: Wie wird Materie komplex? Und was kommt danach?

Im anschließenden Gespräch mit science.ORF.at nennt er auch einen Teilbereich seiner jüngsten Forschungen, die ihn gemeinsam mit seinem Bruder Richtung Medizin geführt haben:

"Wir haben Substanzen hergestellt, die an Stückchen von Nukleinsäure binden, d.h. von Genen. Normalerweise können solche Gene nicht in Zellen eindringen, weil sie nicht durch die Zellmembran gelangen. Diese Substanzen wickeln sich um diese Gene und machen den Transport in die Zelle möglich. Wenn das in der Zelle ist, dann kann dieses Gen von der Zelle 'exprimiert' werden - das heißt, Proteine produzieren."

Damit könnten Gentherapien möglich sein, zum Beispiel gegen die Stoffwechsel-Erkrankung Mukoviszidose; da gebe es aber vorerst lediglich Studien an Mäusen, so der französische Chemiker.
"Die Natur ist so subtil ..."
An das Ende seines Vortrages stellt Jean-Marie Lehn drei Zitate. Nämlich Leonardo da Vinci: "Wo die Natur bei der Erzeugung ihrer eigenen Spezies aufhört, beginnt der Mensch unter Nutzung natürlicher Dinge und mit Hilfe dieser Natur eine unendlich große Menge von Spezies zu kreieren";

Paracelsus: "Denn die Natur ist so subtil und scharf in ihren Dingen, dass sie nicht ohne große Kunst angewendet werden mag. Denn sie bringt nichts an den Tag, das für sich selbst vollendet wäre, sondern der Mensch muss es vollenden. Diese Vollendung heißt alchemia...";

sowie jenes Zitat, das auf dem Grabsteins des Mathematikers David Hilbert steht: "Wir müssen wissen, wir werden wissen."

Und damit meint Lehn die Entwicklung des Lebens und die Weiterentwicklung des Lebens. Womit wir wieder beim Beginn wären - nicht bei Haydn, sondern beim Urknall.

Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft, 23.4.09
->   Jean-Marie Lehn
 
 
 
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01.01.2010