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Zu viel Sonnenlicht erhöht Selbstmordrisiko  
  Bekanntermaßen kann Lichtmangel im Winter zu Depressionen führen. Aber auch ein Zuviel an Sonne kann sich auf das Gemüt schlagen: Das Selbstmordrisiko ist in nördlichen Breiten im Sommer nämlich deutlich höher.  
Das ergab eine Untersuchung der jahreszeitlichen Schwankungen der Selbstmordstatistik in Grönland, wo aufgrund seiner geographischen Lage im Sommer monatelang die Sonne scheint.
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Die Studie "Accentuation of suicides but not homicides with rising latitudes of Greenland in the sunny months" von Karin S Björksten et al. ist im Open Access-Journal "Biomed Central Psychiatry" erschienen.
->   BMC Psychiatry
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Gutes und böses Serotonin?
Dass Sonnenlicht durchaus positive Auswirkungen auf unser Befinden hat, merkt man nicht zuletzt jetzt im Frühling. Zurückgeführt wird dieser Umstand unter anderem auf den steigenden Serotoninspiegel, der für gute Stimmung sorgt. Genauso führt ein Mangel an diesem Botenstoff im Winter mitunter zu Depressionen.

Mehr Serotonin im Blut könnte laut den Forschern rund um Karin Sparring Björksten vom Karolinska Institut in Schweden aber auch die Gewaltbereitschaft fördern und so einen gegenteiligen Effekt haben. Zumindest legt dies ein Blick auf die saisonale Selbstmordhäufigkeit in nördlichen Ländern nahe.

Dass die Selbsttötung in diesen Regionen generell sehr häufig ist, ist allgemein bekannt. Aber den Höhepunkt erlebt diese Todesart hier nicht im Winter, wie man annehmen könnte, sondern in den Sommermonaten.
Extreme Lebensbedingungen
Diesen Zusammenhang hat nun die aktuelle Studie des schwedischen Forscherteams näher untersucht: Dafür haben sie sich die die Selbstmordstatistiken in Grönland von 1968 bis 2002 angesehen.

Die innerhalb des Königreich Dänemarks weitgehend autonome Nation ist die größte Insel der Erde und zählt aufgrund seiner nördlichen Lage zu den extremsten menschlichen Lebensräumen. Im Norden des Landes scheint immerhin von Ende April bis Ende August durchgehend die Sonne. Zudem hat es eine der höchsten Selbstmordraten der Welt.
Je mehr Sonne, umso riskanter
Das Ergebnis: Tatsächlich finden die meisten Selbsttötungen im Sommer statt, nämlich insgesamt 48 Prozent. Den Höhepunkt erreicht die Kurve Mitte Juni.

Noch deutlicher fiel die Statistik für die nördlichen Landesteile aus, welche im Sommer nicht einmal eine leichte Dämmerung erleben. Hier bringen sich 82 Prozent aller Selbstmörder in der sonnigen Jahreszeit um.
Dauersonne macht aggressiv
Auffällig war laut den Forschern, dass es sich im Sommer vor allem um gewaltsame Selbsttötungen handelt, wie Erschießen, Erhängen oder Todesstürze. Vergiftungen hingegen waren eher selten. Deshalb haben die Forscher zusätzlich erhoben, ob vielleicht ein erhöhter Alkoholkonsum die Schwelle zum Selbstmord senkt. Dieser war aber laut Studie über das Jahr verteilt konstant.

Das deutet darauf hin, dass tatsächlich die permanente Sonneneinstrahlung ein Durcheinander im hormonellen Stoffwechsel anrichten kann. Kombiniert mit dem Schlafmangel, ebenfalls eine Folge des Überangebots an Licht, könnte der Zustand laut den Forschern zu extremen Reaktionen führen.

"Selbstmord ist eine komplexe Tragödie, aber die Daten zeigen, dass auch ein Zuviel an Licht zu einem der vielen auslösenden Faktoren zählen kann", so Björkstén.

[science.ORF.at, 8.5.09]
->   Karolinska Institut
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01.01.2010