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Älteste Menschenfigur der Welt gefunden  
  Deutsche Wissenschaftler haben im Alb-Donau-Kreis die älteste bisher bekannte Menschenfigur der Welt gefunden. Die "Venus"-Figur mit überdimensionierten Brüsten ist nur sechs Zentimeter groß und aus Mammut-Elfenbein geschnitzt.  
Sie wurde laut Nicholas Conard von der Universität Tübingen wohl bereits vor rund 40.000 Jahren gestaltet. Damit ist sie deutlich älter als die "Venus von Willendorf" mit ihren 25.000 Jahren.

Der Fund sei eine Sensation und werfe ein völlig neues Licht auf die Entstehung der Kunst in Europa und vermutlich auf der ganzen Welt. Ab September soll die Figur im Stuttgarter Kunstgebäude erstmals öffentlich ausgestellt werden.
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Die Studie "A female figurine from the basal Aurignacian of Hohle Fels Cave in southwestern Germany" von Nicholas J. Conard et al. ist in der aktuellen Ausgabe von "Nature" (Bd. 459, 14. Mai 2009, DOI:10.1038/nature07995) erschienen.
->   Zum Abstract der Studie
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Extrem detailreiche Schnitzarbeit
Nach weit mehr als 100 Jahren Diskussion ist laut den Forschern nun sicher, dass schon die ersten modernen Menschen in Europa Figuren geschnitzt hätten. Die "Venus" sei im September 2008 bei Ausgrabungen in der Höhle Hohle Fels bei Schelklingen gefunden worden. "Wir alle waren sprachlos", so Conard.

Die Figur sei extrem detailliert geschnitzt. "Dieses Stück ist mit Energie geladen und sehr ausdrucksvoll", so Conrad. Auffällig sei die extreme Betonung der Brüste und der Vulva, während Gesicht und Beine kaum ausgearbeitet und stark verkürzt dargestellt seien. Die Darstellung grenzt laut Conards Kollege Paul Mellars nach heutigen Maßstäben an Pornografie.
Zweck unklar
 
Bild: H. Jensen, Universit¿t T¿bingen

Eine winzige Öse an der Stelle des kaum erkennbaren Kopfs zeige, dass die Figur um den Hals getragen wurde. Es handle sich mit großer Sicherheit um einen künstlerischen Ausdruck von Fruchtbarkeit. Aber welchem Zweck genau sie diente, könne derzeit noch niemand sagen. "Ich war nicht da vor 40.000 Jahren, und unterm Strich habe ich keine Ahnung", sagte Conard.

Bisher waren aus dieser Phase der Altsteinzeit lediglich Tierdarstellungen bekannt. Dass die Menschen sich vor 40.000 Jahren, also sogar ganz zu Beginn des Aurignacien, bereits mit figürlicher Kunst beschäftigten, ist an sich schon völlig unerwartet. "Egal, was wir gefunden hätten: In dieser Lage wäre alles eine Sensation gewesen", sagte Conard.
Erstes Kulturvolk der Welt?
Die "Venus" lag laut den Forschern in sechs Fragmenten etwa 20 Meter vom Höhleneingang entfernt. Diese seien mit Kunstharz verbunden worden. Bis auf den linken Arm und die Schulter sei die Figur vollständig erhalten. Das sei ein extrem seltener Glücksfall bei den Grabungen nach Elfenbeinkunst auf der Schwäbischen Alb.

Conard hegt zugleich Hoffnungen, auch die fehlenden Fragmente noch zu finden: Die "Venus" sei ganz am Rand des im vergangenen Jahr bearbeiteten Ausgrabungsgebiets gelegen. In einem Monat gingen die Grabungen weiter. Dann besteht die Chance, die fehlenden Fragmente noch zu finden.

Auf der Schwäbischen Alb wurden in den vergangenen 150 Jahren unzählige Elfenbeinschnitzereien gefunden, darunter das weltweit älteste bekannte Musikinstrument. Conard hält es durchaus für möglich, dass auf der Schwäbischen Alb das erste Kulturvolk der Welt gelebt hat. Auf jeden Fall seien von der Alb wesentliche Impulse für die Entwicklung der Musik und der figürlichen Kunst ausgegangen.

[science.ORF.at/dpa, 13.5.09]
->   Nicholas J. Conard
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01.01.2010