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Auch Affen registrieren verpasste Chancen  
  Wenn Menschen eine Entscheidung treffen, orientieren sie sich nicht nur an tatsächlich Erlebten, sondern auch an theoretischen Möglichkeiten und verpassten Chancen. Laut einer aktuellen Studie sind auch Affen fähig, "Was wäre gewesen, wenn ..." zu denken und das bei zukünftigen Handlungen zu berücksichtigen.  
Untersuchungen von US-Forschern haben zudem ergeben, dass echte und vorgestellte Erfahrungen in ein und derselben Gehirnregion verarbeitet werden.
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Die Studie "Fictive Reward Signals in the Anterior Cingulate Cortex" von Benjamin Y. Hayden et al. ist in der aktuellen Ausgabe von "Science" (Bd.324, 15.Mai 2009, DOI:10.1126/science.1168488) erschienen.
->   Zum Abstract der Studie
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Fiktive Erfahrungen
Insbesondere um ökonomische Entscheidungen zu treffen, beschäftigen sich Menschen mit deren möglichen Konsequenzen. Entgangene Gelegenheiten spielen dabei eine wichtige Rolle. Verarbeitet wird diese Information laut früheren Studien im "anterioren cingulären Cortex" (ACC). Diese Gehirnregion überwacht Konsequenzen von Entscheidungen und leitet daraus zukünftige Handlungsänderungen ab.

Die Forscher rund um Benjamin Y. Hayden von der Duke University vermuteten, dass auch beim Affen Neuronen in diesem Areal auf "fiktive Erfahrungen" reagieren würden.
Wahlmöglichkeiten mit unterschiedlichen Gewinn
Um das zu überprüfen, haben die Forscher nun die Gehirnaktivitäten von Affen während eines Gewinnspiels aufgezeichnet. Das Spiel war angelehnt an die US-amerikanische TV-Gameshow "Let's make a Deal", im deutschsprachigem Raum bekannt als "Geh aufs Ganze".

Es geht dabei darum, zwischen gleichen Auswahlfeldern zu wählen, hinter welchen sich unterschiedlich hohe Gewinne verbergen, im Fall der Affen handelte es sich um Fruchtsaft. In der Versuchsanordnung gab es acht Optionen, sieben brachten nur einen recht kleinen Gewinn, eine dafür einen sehr hohen.

Signalisiert wurde die jeweiligen Belohnungen hinter den Feldern durch verschiedene Farben. Grün stand für den größten Gewinn. Nach jeder getroffenen Entscheidung, wurden auch die Farben der anderen Möglichkeiten gezeigt. Der flüssige Preis wurde unmittelbar danach verteilt.
Ähnliche Verarbeitung von Echtem und Fiktivem
Laut den Forschern zeigten die fMRI- Bilder, die während des Experiments gemacht wurden, dass die Nervenzellen im ACC auf Belohnungen reagierten und zwar umso mehr, desto höher der Gewinn war. Dieselbe Aktivität war aber auch zu beobachten, wenn die Tiere die entgangenen Belohnungen sahen. Das heißt, echte und vorgestellte Konsequenzen führen im Hirn zu ähnlichen Reaktionen.

Die Wissenschaftler schließen daraus, dass die Affen auch die potenziellen oder fiktiven Ergebnisse ihrer Wahlmöglichkeiten bedenken.
"Möglichkeitserleben" bewirkt Lernprozess
In einem weiteren Schritt untersuchten die Wissenschaftler, ob diese Reaktionen einen Lernprozess bewirken. Dafür ließen sie den höchsten Gewinn in 60 Prozent der Fälle an derselben Stelle, anderenfalls rutsche er in eine Richtung um eine Position weiter, sodass die Tiere ein Muster erkennen konnten. Generell "errieten" sie den höchsten Gewinn deutlich häufiger, als es durch Zufall der Fall gewesen wäre.

Menschen spielen laut den Forschern prinzipiell viel eher, wenn ihnen bewusst ist, welche Gewinne sie in der Vergangenheit verpasst haben und orientieren ihre Strategie an den alten Ergebnissen. Laut den Forschern müssten demnach auch Affen jene Optionen wählen, die zuvor eine große Belohnung gebracht haben. Diese Annahme wurde durch die Versuche ebenso bestätigt.

"Die Neuronen im ACC spielen offenbar eine doppelte Rolle, denn die Tiere sind nur dann imstande ihre Verhalten anzupassen, wenn sie Informationen über beides haben, über das Erlebte und das Verpasste", so der Mitautor Michael Platt.

[science.ORF.at, 15.5.09]
->   Benjamin Y. Hayden
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01.01.2010