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Terror: Auch eine Frage der Statistik  
  So unterschiedlich sie in ihren Zielen auch sein mögen: Terroristen unterliegen weltweit den gleichen statistischen Gesetzen. Die Frequenz ihrer Anschläge erhöht sich im Laufe ihres Bestehens, die Schwere der Vernichtung ist hingegen unabhängig von Größe und Erfahrung der Terrorgruppen.  
Das berichten die beiden Computerwissenschaftler Aaron Clauset vom Santa Fe Institute und Kristian Skrede Gleditsch von der Universität in Essex auf dem Preprint-Server arXiv (Studie: "The developmental dynamics of terrorist organizations").
3.100 Anschläge in 40 Jahren untersucht
Man kann Terrorismus auf viele verschiedene Weisen erklären - religiös, soziologisch oder politisch - und günstigstenfalls versuchen, seine Ursachen und Wirkungen zu bekämpfen. Clauset und Gleditsch begegnen dem Phänomen mit Mitteln der Statistik und Netzwerktheorie. Sie verstehen Terrorgruppierungen als Organisationen, deren Ziel es ist politische Gewalt "herzustellen".

Zwar ist die Datenlage auf der "Input-Seite" des Terrors nicht zufriedenstellend (Was bewegt Menschen dazu Terroristen zu werden; um wen handelt es sich dabei genau? etc.), beim "Output" sieht es für die Mathematiker aber schon besser aus. Anzahl, Frequenz und erzielte Wirkung von Terroranschlägen werden weltweit dokumentiert.

Clauset und Gleditsch haben so mit Daten des amerikanischen Memorial Institute for the Prevention of Terrorism über 3.100 Attacken untersucht, die zwischen 1968 und 2008 weltweit von 381 Gruppierungen ausgeführt wurden. Darunter befinden sich auch alle aktuell "namhaften", wie die Hamas, Al-Kaida, die kolumbianische FARC und die Tamilen-Tiger.
Frequenz der Terroraktionen erhöht sich
Für alle Terrorgruppen haben die Forscher nun Funktionen mit mehreren Variablen ermittelt: Abstand zwischen den Anschlägen, Wirkungsgrad, Anzahl der Todesopfer etc. Daraus ergab sich ein relativ homogenes Bild. Die Frequenz der Terroraktion erhöhte sich mit dem Erfahrungsgrad der Organisation. Während der durchschnittliche Abstand zwischen dem ersten und zweiten Anschlag fast ein halbes Jahr beträgt, sind es nach dem 13. Anschlag nur noch 27 Tage.

Die Erklärung der Wissenschaftler stammt aus der Organisationstheorie: Zum einen sind die Mitglieder einer Organisation zu Beginn noch ein wenig patschert, ihre Effizienz steigert sich erst durch die Erfahrung. Zum anderen gibt es anfangs auch noch relativ wenige Mitglieder, die Organisation wächst erst mit ihrem Erfolg.
Mortalitätsrate unabhängig von Erfahrung
"Terrorgruppen kann man als Firmen verstehen, deren Hauptprodukt politische Gewalt ist, ihre Produktionsraten hängen stark vom Wachstum der Organisation und der Anzahl einfacher Arbeitskräfte ab, die zur Verfügung stehen", können Clauset und Gleditsch somit auch folgern.

Mit Gruppengröße und Erfahrung nicht erklären lässt sich allerdings die Effizienz - sprich die Mortalitätsrate - von Terroraktionen. Die Chance, dass frische Terrorzellen oder "alte Hasen" besonders tödliche und extreme Anschläge verüben ist laut den Forschern gleich hoch.

[science.ORF.at, 26.6.09]
->   Memorial Institute for the Prevention of Terrorism
->   Aaron Clauset, Santa Fe Institute
->   science.ORF.at-Archiv zum Thema Terror
 
 
 
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01.01.2010