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Sauerstoffkrisen: Vor dem Tod kommt das Chaos  
  Wiener Forscher haben den Sauerstoffschwund in der Adria im Experiment nachgestellt und überraschende Entdeckungen gemacht: Bevor das Ökosystem am Meeresboden zusammenbricht, regiert für kurze Zeit das Chaos.  
Ohne Sauerstoff kein tierisches Leben
Das Adriatische Meer ist vor allem im Norden vergleichsweise flach und gilt daher als besonders anfällig für Störungen. Für Michael Stachowitsch von der Universität Wien steht fest, dass die Küstenverschmutzung auf die Entstehung der Todeszonen auf dem Meeresboden einen erheblichen Einfluss hat. Dabei gibt es auch Zusammenhänge mit den immer wieder auftretenden Algenblüten.

Zuerst vermehren sich die Algen durch die Einleitung von Düngesalzen, anschließend sterben die Pflanzen ab und werden am Meeresboden von Bakterien abgebaut. Haben die Mikroben allen Sauerstoff in der Tiefe verbraucht, bleibt eine stinkende, schwarze Todeszone übrig. Erst wenn wetter- bzw. windbedingt frisches Wasser nachströmt, kann sich der Lebensraum langsam wieder erholen.
Todeszone im Container
Bis vor wenigen Jahren konnte Stachowitsch mit seinen Untersuchungen erst beginnen, wenn Katastrophen bereits eingetreten waren. Mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF haben die Meeresbiologen die Krisen nun mit speziellen Geräten namens "Experimental Anoxia Generating Unit" (EAGU) vor der slowenischen Küste bei Piran künstlich erzeugt.

Ähnlich wie bei manchen natürlichen Witterungsverhältnissen wird der Lebensraum unter den Boxen mit einer Seitenlänge von 50 Zentimetern vom Zustrom frischen Wassers abgeschnitten.

Da Tiere und Bakterien aber weiter Sauerstoff verbrauchen, werden die Verhältnisse immer unwirtlicher, bis eine kleine, künstliche Todeszone entsteht. Die Boxen sind mit Kameras und Messinstrumenten ausgestattet. So werden laufend Temperaturen und Sauerstoffgehalt gemessen. Auch das Auftreten von giftigem, stinkendem Schwefelwasserstoff wird dokumentiert. Die Experimente liefen zwischen drei und sechs Tagen.
Anemonen fressen plötzlich Krebse
Bisher war bekannt, dass im Boden lebende Tiere unter einer bestimmten Sauerstoffkonzentration die Grabbauten verlassen. Nun zeigte sich, dass die Meerestiere auf die sinkenden Sauerstoffwerte unterschiedlich reagieren und unterschiedlich empfindlich sind. So erwiesen sich etwa Schnecken und Anemonen als eher tolerant, sie überleben länger als etwa die empfindlichen Krebse oder auch Schlangensterne.

Bevor das System völlig kollabiert, gerät das Nahrungsnetz aus den Fugen. So konnten die Wissenschaftler beobachten, wie die toleranten Anemonen, die normalerweise auf kleinere Beute spezialisiert sind, plötzlich die empfindlicheren Schlangensterne und auch Krebse erbeuteten.

Durch die Auswertungen können die Forscher in Zukunft etwa feststellen, wie schlimm die Sauerstoffkrise in einem bestimmten Areal war. Dazu muss die noch vorhandene Fauna den fehlenden Arten gegenübergestellt werden.

[science.ORF.at/APA, 15.7.09]
->   Meeresbiologie Universität Wien
->   Algenblüte - Wikipedia
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01.01.2010