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Warum Athleten und Rennpferde immer schneller werden  
  Zwei aktuelle Studien analysieren den Erfolg mancher Sportarten: Seit hundert Jahren werden die schnellsten Schwimmer und Läufer immer größer und schwerer. Dahinter dürfte ein Prinzip stecken: Hoch gewachsene Sportler gewinnen eher, weil ihnen ihre ihre Größe zugutekommt. Dass Rennpferde immer bessere Zeiten erzielen, liegt hingegen nicht nur am geringen Gewicht der Jockeys. Die Geschwindigkeit ist Ergebnis einer ausgeklügelten Reittechnik.  
Große Hüte, kleine Reiter
Im Jahr 1711entdeckte die englische Queen Anne in der Nähe von Schloss Windsor beim Reiten einen Platz, der ihr ideal erschien, um dort Pferde galoppieren zu lassen. Noch im selben Jahr fand ein Pferderennen statt, das damit das heutige Ascot-Rennen begründete.

Während in Ascot die Hüte der Damen eher groß ausfallen, müssen Jockeys hingegen vor allem klein und leicht sein. Um ein Pferd als Sieger ins Ziel zu führen, reicht es aber nicht, einfach nur wenig Gewicht in den Sattel zu bringen. Erst ein vor hundert Jahren eingeführter aufwendiger Reitstil der Jockeys hat die Pferde deutlich schneller werden lassen, wie Wissenschaftler um Thilo Pfau vom Royal Veterinary College in London in der aktuellen Ausgabe von "Science" (Bd. 325, S. 289) schreiben.
Die Beinarbeit der Jockeys
Jockeys leisten bei einem Rennen äußerst kraftvolle Arbeit: Sie sitzen nicht im Sattel, sondern stehen mit den Beinen in den Steigbügeln. Während des Galopps gleichen sie die Bewegungen des Pferdes mit den Beinen aus, wodurch sich ihr eigener Körper kaum hebt oder senkt. Der Vorteil für das Pferd liegt darin, dass das Tier seinen Reiter nicht bei jedem Schritt heben und senken und damit immer aufs Neue beschleunigen muss.

Diesen Vorteil für ihr Tier müssen die Jockeys aber hart erkämpfen: Eine ältere Studie der Universität Sheffield hat gezeigt, dass die Herzfrequenz von Jockeys während des Rennens zunimmt und deren Stoffwechsel und Herz-Kreislauf-System auf Trab gebracht wird ("European Journal of Applied Physiology and Occupational Physiology", 1995, Bd. 70, S. 66, Abstract). Pfau und seine Kollegen haben nun anhand von Videoaufnahmen und mittels Sensoren an Sattel und Jockey den Bewegungsablauf genau analysiert (Video, Royal Veterinary College Structure and Motion Lab).
Zum Sieg mit "Martini Glass"
 
Bilder: Vincent Orchard (sw) und Tom Stanhope - Equine Action Images.

Bild: Jockeys einst und heute. Vom aufrechten Reitstil beim Diamond Jubilee im Jahr 1900 zum gehockten beim Royal Ascot 2009.

Der neue Reitstil wird als "Martini Glass" bezeichnet und wurde Ende des 19. Jahrhunderts in den USA entwickelt. 1897 fand er seinen Weg nach England und wurde 1910 zum allgemeinen neuen Standard. Davor standen die Turnierreiter relativ aufrecht in den Bügeln. Die Rennzeiten sind durch den neuen Stil zwischen Ende des 19. Jahrhunderts und 1910 um fünf bis sieben Prozent gefallen - ein Sprung, wie er in den darauffolgenden hundert Jahren nicht mehr erreicht werden konnte.

Die gehockte Haltung der Jockeys bietet freilich einen weiteren Vorteil gegenüber der älteren Position: Der Luftwiderstand sinkt. Laut Pfau und seinen Kollegen fällt dieser Effekt jedoch gering aus im Vergleich zu der Anstrengung, die Jockeys dem Pferd durch ihre Bewegung ersparen.
Siegreiche Athleten werden immer größer
Beim Reiten sind kleine und leichte Jockeys von Vorteil. Bei vielen anderen Sportarten führt jedoch der gegenteilige Körperbau eher zur Medaille. Viele erfolgreiche Athleten wurden in den letzten hundert Jahren immer größer, wie die Ingenieurswissenschaftler Jordan D. Charles und Adrian Bejan von der Duke University in Durham herausgefunden haben ("Journal of Experimental Biology" (Bd. 212, S. 2419 - sobald online).

Sie untersuchten die Körpergrößen der Weltrekordgewinner im 100-Meter-Schwimmen und -Laufen seit dem Jahr 1900. Während die Menschen in diesem Zeitraum um durchschnittlich knapp fünf Zentimeter größer wurden, waren es bei den schnellsten Schwimmern mehr als elf Zentimeter; die schnellsten Läufer legten sogar um mehr als 16 Zentimeter zu.
Konstruktionsprinzip der Natur
Für die beiden Forscher folgen die Ergebnisse einer Theorie zur Bewegung von Tieren: Größere Tiere sind im Allgemeinen schneller. Laut Bejan müssen Tiere, wenn sie sich bewegen, vor allem zwei Probleme lösen: Sie müssen die Schwerkraft überwinden und irgendeine Art von horizontalem Widerstand. Bejan hat eine "Konstruktions-Theorie" für das Design in der Natur entwickelt, nach der Gehen, Schwimmen und Fliegen mit den selben mathematischen Gleichungen berechnet werden können.

Laut Charles, der selbst Brustschwimmer ist, erscheint mancher Rat der Trainer nun in einem anderen Licht: Brustschwimmern wird geraten, sich soweit wie möglich aus dem Wasser heraus zu bewegen, weil der geringere Widerstand in der Luft statt im Wasser schneller machen soll. Der Grund könnte aber ein anderer sein: Wenn der Sportler in Wasser zurück klatscht, fällt er stärker und schneller nach vorne und eine entstehende Welle drückt ihn zudem vorwärts. Bei größeren (und schwereren) Sportlern fällt der Effekt stärker aus. "Richtiger Rat, falsche Ursache", sagt Charles zu den Regeln der Trainer.
Prognosen für antike Athleten
Mit dem Verhältnis zwischen Körpergröße und Geschwindigkeit haben Charles und Bejan auch die Resultate antiker Wettkämpfer geschätzt. Damals wurde keine Zeit genommen. Da die Menschen damals kleiner waren als in der Gegenwart, dürften die antiken Rekorde schlechter ausgefallen sein. Wenn die besten Läufer heute für einen Hundert-Meter-Sprint zehn Sekunden brauchen, waren es in der Antike vermutlich noch elf.
Gewichtsklassen beim Schwimmen
Auf Basis des beobachteten Trends prognostizieren die Wissenschaftler auch, wer in Zukunft gewinnen wird: die Größeren und Schwereren. Da sich das Gewicht auf die Chancen für einen Platz am Stockerl auswirkt, schlagen die Forscher vor, auch beim Laufen und Schwimmen Gewichtsklassen einzuführen.

Mark Hammer, science.ORF.at, 17.7.09
->   Thilo Pfau
->   Jordan Charles
->   Adrian Bejan
->   "Konstruktions-Theorie"
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01.01.2010