News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Auch Bäume haben Abgase
Die Natur als Quelle der Luftverschmutzung?
 
  Ronald Reagan hat in seiner Wahlkampagne 1980 behauptet, dass vor allem Bäume und nicht etwa der Mensch, die Autos und die Industrie die Luft verschmutzen. Seine Mitarbeiter sprachen danach etwas spöttisch von sogenannten "Killer-Bäumen". Eine aktuelle Studie zeigt, dass in dieser gewagten Zuschreibung unter Umständen ein Körnchen Wahrheit steckt.  
Laut den US-Forschern sondern nämlich auch Bäume chemische Stoffe ab, die in Verbindung mit anderen zu schädlichen Feinstaubpartikeln mutieren können.
...
Die Studie "Unexpected Epoxide Formation in the Gas-Phase Photooxidation of Isoprenen" von Fabien Paulot et al. ist in der aktuellen Ausgabe von "Science" (7. August 2009, DOI: 10.1126/science.1172910) erschienen.
->   Zum Abstract der Studie
...
Vom Mensch gemachte Schadstoffe
Spricht man heute von Emissionen, meint man in erster Linie den Ausstoß von Treibhausgasen wie Kohlenstoff und Methan - also jene Stoffe, die vom Mensch mit verursacht und für den Klimawandel hauptverantwortlich gemacht werden.

Nicht zuletzt deshalb haben sich viele Forscher in den letzten Jahren damit beschäftigt, wie sich diese Schadstoffe auf Umwelt und Mensch auswirken können.
Biogene Emissionen
Neben diesen "hausgemachten" gibt es aber auch natürliche Emissionen, wie etwa Radioaktivität und Schwermetalle von Gesteinen sowie flüchtige chemische Verbindungen, welche Pflanzen produzieren. Was diese in der Luft bewirken und ob sie womöglich auch einen Beitrag zur Verschmutzung leisten, war bisher noch weitgehend ungeklärt.

Die Forscher rund um Fabien Paulot vom California Institute of Technology haben für ihre aktuelle Studie nun untersucht, wie sich derartige biogene Stoffe von Bäumen in der Atmosphäre verhalten.
Rauchige Wälder
Dabei untersuchten sie den ungesättigten Kohlenstoff Isopren, der von zahlreichen Laubbäumen produziert wird. Besonders viel davon emittieren etwa Eichen. Das ist laut den Forschern auch der Grund dafür, dass die amerikanischen "Smoky Mountains" tatsächlich so rauchverhangen aussehen.

Isopren ist ein wichtiger Bestandteil der Atmosphäre. "Abgesehen von Methan und CO2 kommt Isopren häufiger als die meisten anderen vom Mensch produzierten Gase vor", so der Coautor der Studie Paul Wennberg. Dabei stammt es ausschließlich von Pflanzen, weltweit werden jährlich Millionen Tonnen davon produziert. Warum, weiß man laut den Wissenschaftlern eigentlich nicht.

Auch die chemischen Abläufe beim und nach dem Ausstoß dieser Verbindung, welche in eher menschenleeren, waldigen Gegenden gehäuft vorkommt, ist demnach weitgehend ungeklärt.
Verwandlung in Feinstaub
 
Bild: Yohei Shinozuka

Das Beobachtungsflugzeug der NASA

Mit Hilfe einer neuen Form der Massenspektrometrie, die die Analyse einzelner chemischer Verbindungen in einem komplexen Gasgemisch erleichtert, gelang es den Forschern nun, einige grundlegende Mechanismen zu klären. So konnten sie von einem Flugzeug der NASA beobachten, wie sich ein Teil des Isopren in sogenannte organische Aerosole, mikroskopisch kleine Partikel oder Feinstaub, verwandelt. Das passiert, indem das Gas mit einer anderen sehr reaktiven chemischen Verbindung, einem Epoxid, verschmilzt.

Das passiert laut den Wissenschaftlern zwar nur mit einem kleinen Teil des Gases. Aufgrund der recht großen Ausgangsmenge sei dieser aber trotzdem von messbarer Bedeutung.
Atmosphärischer Klebstoff
Sobald Isopren in die Atmosphäre eintritt, oxidiert es laut den Forschern aufgrund freier Radikale. Hier kommt dann das Epoxid ins Spiel. "Ähnlich wie Epoxidharz - ein Kunststoffkleber - verwandeln sich Epoxide in Kombination mit sauren Teilchen in eine Art Klebstoff", so Wennberg. Laut Studie "verkleben" sie gewissermaßen die Atmosphäre, indem sie an Partikeln hängen bleiben und die Sichtbarkeit beeinträchtigen.

Verstärken würde sich das Phänomen in einer ohnehin schon von Industrie und Autos verschmutzten Umgebung, da diese viel saurer ist. Das zeigt laut den Forschern, wie entscheidend auch derartige Wechselwirkungen zwischen natürlichen und menschlich produzierten Emissionen sein könnten.
Schadstoffarme Bäume
Feinstaubpartikel führen nicht nur zu Absorption von Sonnenstrahlung und tragen so vermutlich zu klimatischen und meteorologischen Veränderungen bei. Sie können auch direkten gesundheitlichen Schaden beim Menschen anrichten. Aufgrund ihrer extremen Winzigkeit können sie etwa über die Atemwege bis tief in die Lungen vordringen.

Auch deswegen wäre es laut Ansicht der Wissenschaftler wichtig, alle möglichen Quellen der Entstehung von Feinstaub zu untersuchen und bei der Umweltpolitik zu berücksichtigen, selbst wenn sie eigentlich einen natürlichen Ursprung haben.

Das heiße ja nicht, dass wir uns jetzt alle vor Ronald Reagans "Killer-Bäumen" fürchten müssen, aber ihre Emissionswerte sollten bei der Aussaat berücksichtigt werden. Laut Wennberg existiert in einem kalifornischen Distrikt immerhin schon eine solche Liste von "zugelassenen" emissionsarmen Bäumen.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 7.8.09
->   Isopren (Wikipedia)
->   Epoxide (Wikipedia)
->   Fabien Paulot
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   CO2-Bindung: Bäume unterstützen Berge
->   Experten fürchten um CO2-Speicher der Wälder
->   Messbarer Effekt: Länger leben durch gute Luft
->   Flüsse stoßen beträchtliche Mengen CO2 aus
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010