News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 
Wer schläft, verletzt sich nicht  
  Ein US-Forscher wartet mit einer neuen Theorie zum Thema Schlaf auf: Seiner Ansicht nach ist Schlaf so etwas wie eine ökologische Optimierungsstrategie, vergleichbar mit den Ruhephasen von Pflanzen.  
Schlaftheorien im Überfluss
Es gibt viele Theorien zur Frage, welchen Sinn das Phänomen Schlaf hat. Die "Informationsverarbeitungstheorie" sieht sowohl den REM-Schlaf (Rapid-Eye-Movement; das ist die Phase, in der man träumt) wie den Tiefschlaf als Phase, in der wir Informationen verarbeiten und neue neuronale Verbindungen schaffen.

Eine Gegentheorie geht davon aus, dass wir unnütze Verbindungen im Schlaf entfernen, um Platz für Neues zu schaffen. Weil der REM-Schlaf bei neugeborenen Landsäugetieren am intensivsten ist, nimmt eine andere Theorie an, dass er generell für die Entwicklung wichtig sei.
Behindert Schlaf das Überleben ...
Jerome Siegel, Leiter des Schlaflabors der University of California - Los Angeles (UCLA), hat eine ganz andere Erklärung gefunden, wie er in einer Studie (Nature Reviews Neuroscience, AOP) darlegt. "Schlaf wurde bisher als nicht förderlich für das Überleben angesehen, weil schlafende Tiere leichte Beute seien und keine Überlebensmaßnahmen treffen könnten", sagt Siegel.

Zu diesen Überlebensmaßnahmen zählt er Essen, Fortpflanzung, sich um die Familie zu kümmern, die Umwelt zu beobachten und nach Beute zu suchen. "Daher nahm man an, dass Schlaf eine unentdeckte physiologische oder neuronale Funktion hat, die im Wachzustand nicht erfüllt wird", sagt er.

Also untersuchte Siegel die Schlafphasen verschiedenster Tiere, vom Ameisenigel, einem kleinen, eierlegenden Säugetier, bis zum Walross. Er und seine Mitarbeiter kamen zum Schluss, dass der Schlaf ein sehr anpassungsfähiger Zustand ist, ähnlich den inaktiven Phasen, die bei vielen Spezies beobachtet werden, so zum Beispiel bei Pflanzen und Mikroorganismen. Diese haben aber kein Nervensystem, was nach Siegels Ansicht die Theorie, Schlaf sei für unser Gehirn wichtig, in Frage stellt.
... oder erhält er es?
"Wir sehen Schlaf in einem Spektrum, das von diesen Ruhephasen - wie Winterschlaf und Starre - bis zu Phasen von ständiger Aktivität - wie bei Vögeln, die tagelang ohne Pause fliegen - reicht, ", sagt Siegel. Seine zentrale These ist, dass kontrollierter Schlaf Tiere dabei unterstützt, ihre aktiven Phasen möglichst effizient zu nutzen.

Dies geschieht, indem die Aktivitäten gedrosselt werden, wenn maximale Gefahr besteht, zur Beute zu werden, aber minimale Aussicht, Fressen zu finden. Umgekehrt wird Aktivität unterstützt, wenn es viel Beute gibt, aber wenige Jäger. Die Effizienz wird durch die Schonung der Muskeln, des Hirns und des Stoffwechsels während des Schlafs erhöht. Siegel vergleicht es mit dem Ausschalten des Lichts, wenn wir einen Raum verlassen.
Schlafen mit einem offenen Auge: den Sinnen
Die Schlafdauer verschiedener Spezies sieht er dabei durch Faktoren wie den Zeitaufwand für Nahrungssuche, Aktivität und dem damit verbundenen Risiko, Pflege von Nachwuchs und anderen gegeben. Normaler Schlaf ist aber, sagt Siegel, im Gegensatz zur Starre und zum Winterschlaf, leicht zu unterbrechen. Säugetiere haben nämlich die Fähigkeit, blitzartig aufzuwachen. Damit können Sie auf wahrgenommene Reize reagieren.

Hier kommen noch einmal die REM-Phasen ins Spiel: Siegel meint, es sei möglich, dass REM-Phasen die schnelle Reaktion im Schlaf fördern, indem sie in regelmäßigen Abständen den Hirnstamm aktivieren und warm halten.

Auch Menschen passen für Siegel gut in dieses Muster. "Am bekanntesten ist wohl das Beispiel der Eltern, die beim kleinsten Seufzer ihres Babys aufwachen, aber während eines Sturms durchschlafen", sagt Siegel. Vom Energiesparfaktor abgesehen, hat Schlaf aber per se noch zwei weitere entscheidende Vorteile: man verbraucht weniger Ressourcen, und man kann sich nicht verletzen.

Benedikt Baumgartner,science.ORF.at, 25.8.09
->   Jerome Siegel
->   Siegel Lab - Schlaflabor der UCLA
Mehr zum Thema auf science.ORF.at:
->   Schlaf "reinigt" das Gehirn
->   Wie im Schlaf
->   Rekord: Pfuhlschnepfen fliegen neun Tage lang
->   Schlaf: Unverzichtbar, aber rätselhaft
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010