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Forschungsbudget: Zehn Jahre per Gesetz
Technologiegespräche in Alpbach eröffnet
 
  Mit politischen Absichtserklärungen haben Donnerstagnachmittag die Technologiegespräche des Europäischen Forums Alpbach begonnen. Um mehr Planungssicherheit in der Forschung zu erreichen, soll es ab 2010 ein gesetzliches gesichertes Förderungsbudget für zehn Jahre geben.  
Diesen Vorschlag machte Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP). Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) stellte einen Masterplan für Elektromobilität in Aussicht und präsentierte eine Initiative zur Erhöhung der Forschungsförderung kleiner und mittlerer Unternehmen.

Gemeinsam mit Erich Gornik, dem Vizepräsidenten des Europäischen Forums, sorgten sie für die Eröffnung der Technologiegespräche - und unterstrichen mit einem Zitatepotpourri ihre Positionen.
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Das Thema der bis Samstag laufenden Technologiegespräche lautet "Vertrauen in der Krise - Zukunft gestalten". Schwerpunkte der Veranstaltung sind heuer u.a. die Zukunft der Stammzellenforschung, Kreativität und der Beitrag von Forschung zur Überwindung der Wirtschaftskrise.
->   Technologiegespräche 2009
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Ein Zitat von Karl Marx
Bild: ORF/Johannes Cizek
Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP)
Wenn Politiker besonders glaubwürdig sein wollen, bedienen sie sich gerne der Zitate ihrer politischen Gegner. "Das Kapital ist ein scheues Reh, das sich stets die besten Plätze zum Äsen sucht", hat z.B. einmal Karl Marx geschrieben. Während sich das schreckhafte Tier im vergangenen Jahr zum Teil buchstäblich in Luft aufgelöst hat, bot sich das Marxzitat in Alpbach Wissenschaftsminister Hahn an, um seinen neuen Vorschlag für die Finanzierung der Forschungsförderung auf den Punkt zu bringen.

Auch die "Forschung sei ein scheues Reh", meinte er etwa hinsichtlich der Unsicherheiten über das Budget des Wissenschaftsfonds FWF im Frühjahr dieses Jahres. Forschung und vor allem ihre Forscher und Forscherinnen bräuchten Planungssicherheit für ihre Arbeit. Um die zu gewährleisten, soll ein neues Gesetz her: ein "Forschungsfinanzierungsgesetz", das die Ausgaben der öffentlichen Hand für die Forschung bis zum Jahr 2020 festschreibt.

Von derzeit rund 2,5 Milliarden Euro pro Jahr sollen sie im kommenden Jahrzehnt auf mindestens fünf Milliarden steigen, wünscht sich der Wissenschaftsminister.
Längerfristige Perspektiven
Um das "scheue Reh Forschung" nicht zu vertreiben - sprich Forschern eine längerfristige Perspektive zu geben, ausländische Forscher besser anzuwerben und auch Unternehmen eine Dekadenvorschau zu geben -, sollen noch heuer die Gespräche mit der Wissenschaftsgemeinde und den mit Forschung befassten Ressorts geführt werden. Im ersten Halbjahr 2010 sollte die gesetzliche Vorarbeit erfolgen und im Sommer das Gesetz vorliegen. Das wäre "weltweit einmalig" und ein riesiger Standortvorteil für Österreich, zeigt sich Hahn überzeugt.

In einem Forschungsrahmenplan will Hahn thematische Schwerpunkte wie etwa "Klimawandel" oder "Alternde Gesellschaft" festschreiben. Vorbildwirkung hat für ihn das 2010 auslaufende Genomforschungsprogramm GENAU, das die Forschung "extrem stimuliert" habe.

Wichtiges Anliegen ist Hahn auch die Stärkung der Personalressourcen: So soll die Zahl der Beschäftigten im F&E-Bereich, die sich in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt habe, in der nächsten Dekade ebenso gesteigert werden.
Umwelttechnologien und green jobs
Nicht mit einem politischen Gegner, sondern mit einem Vorbild argumentierte Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) bei der Eröffnung der Technologiegespräche in Alpbach: "Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist sie zu gestalten", wusste einst Willy Brandt, der ehemalige deutsche Bundeskanzler der SPD.

Bures will dieser Logik folgen - ein Zukunftsfeld der Forschung in Österreich sieht sie "in den grünen und Umwelttechnologien".
Masterplan für Elektromobilität
Bild: ORF/Johannes Cizek
Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ)
Man müsse sich nebst anderem Fragen widmen, wie zukünftige Mobilität aussehe und zu gestalten sei. Ein "Masterplan zur Stärkung der Forschung" im Bereich Elektromobilität, der bis Ende des Jahres vorliegen soll, solle neben der Motorenentwicklung auch "die gesamte notwendige Infrastruktur mitdenken", etwa das Tankstellennetz für die E-Fahrzeuge.

Dabei würden auch "green jobs" entstehen: Waren es 1993 noch 11.000 Menschen, die in Österreich im Bereich Umwelttechnologien arbeiteten, so habe sich die Zahl bis 2007 verdoppelt, so die Ministerin.

Sie hat auch ausgerechnet, dass die "Österreicher derzeit Weltspitze bei der Produktion von Motoren pro Kopf" sind - diesen Kompetenzvorsprung gelte es zu nutzen und in die Zukunft zu transportieren.
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45 Prozent Forschungsförderung für KMUs
Bures kündigte auch eine "vorübergehende, aber sofortige" Erhöhung der Förderung von Forschungsprojekten kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) an. Bisher hat die durchschnittliche Förderquote 25 Prozent betragen. Für die neue Initiative "Quick Start" sind 25 Millionen Euro bis Ende 2009 veranschlagt - ungefähr die gleiche Summe wie für die berühmte "Abwrackprämie". Bures dazu: "Wenn wir es uns leisten, damit alte Technologien zu vernichten, müssen wir erst recht Geld in die Hand nehmen, um neue zu schaffen." Zielgruppe der Maßnahme sind rund 3.000 KMUs mit 60.000 Beschäftigten.
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Forschung soll wichtiger werden, Leistung nicht so
Forschung und Entwicklung, darin zeigten sich Bures und Hahn einig, seien der Schlüssel für die künftige Entwicklung Österreichs. Das wüssten laut Hahn auch die Österreicher und Österreicherinnen: Laut einer GfK-Untersuchung seien 71 Prozent der Meinung, dass die Forschungsbudgets "zu wenig" oder "viel zu wenig" unterstützt werden.

Knapp die Hälfte fand, dass Forschung "nach der Krise auf jeden Fall wichtiger werden sollte". Detail am Rande, das von Hahn nicht zitiert wurde: Bei "Leistung" und "Unternehmertum" waren nur rund 30 Prozent der Österreicher dieser Meinung.
Unsicherheiten bei Berufswahl
Doris Bures konterte mit einer Umfrage ihres Ressorts: Ihr zufolge weiß die Hälfte der 14- bis 24-Jährigen nicht, welchen Beruf sei einmal ergreifen wollen. Nur 20 Prozent würden sich gut über Berufsbilder informiert fühlen, lediglich neun Prozent können es sich vorstellen, eine technisch-naturwissenschaftliche Ausbildung zu absolvieren. Auch im Ausbildungsbereich gebe es also noch viel zu tun, so die Ministerin.

Sie fügte dem Zitatefeuerwerk auch noch eines des amtierenden US-Energieministers Stephen Chu hinzu. Der Physiknobelpreisträger habe in seiner politischen Funktion hinsichtlich Klimawandel und Energieressourcen gesagt: "Was die Welt in den nächsten Jahren unternimmt, wird Auswirkungen auf Jahrhunderte haben." Da erscheint ein Zehnjahresbudget für die Forschung gleich noch zeitgemäßer.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 27.8.09
->   Infrastrukturministerium
->   Wissenschaftsministerium
Weitere Beiträge zu den Alpbacher Technologiegesprächen 2009:
->   Rudolf Burger: "Ich frage mich, warum man Rankings machen soll"
->   Kreativität: "Man muss Gelegenheit für offene Lösungen geben"
->   Energie: "Häuser, die mit dem Netz reden"
->   E-Governance: "Bürger auf gleicher Augenhöhe mit dem Staat"
->   Lebensmittel: Das Individuelle der Allergien
->   Strukturbiologie: "Da hat die Natur Sicherheitsmaßnahmen eingebaut."
 
 
 
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01.01.2010