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BBC als "Mutter der Kreativität"  
  Der britische Rundfunk ist der älteste der Welt und gilt in vielen Ländern als Vorbild. Die BBC war ein Teil der Kreativwirtschaft, lange bevor dieser Begriff überhaupt erfunden worden ist. Heute ist sie eine "unschätzbare Quelle für die Entwicklung kreativer Talente", meint die Expertin Ruth Mackenzie bei den Alpbacher Technologiegesprächen.  
Mackenzie ist Beraterin der britischen Regierung für Kultur und Rundfunk und hat an der Studie "Digital Britain" mitgewirkt, die Empfehlungen für die Entwicklungen Großbritanniens bis 2020 enthält. Darunter das Vorhaben, neue lokale Medien zu finanzieren, die die Pluralität der Nachrichten garantieren sollen.

Von den jüngsten Entwicklungen der Kreativwirtschaft in Österreich zeigt sich die Britin in einem science.ORF.at-Interview angetan.
Bild: ORF/Johannes Cizek
Ruth Mackenzie in Alpbach
science.ORF.at: Die BBC war immer schon kreativ. Ist der Begriff "Creative Industries" überhaupt notwendig?

Ruth Mackenzie: Für alle, die in der Kreativwirtschaft arbeiten, war es extrem sinnvoll, ihre Tätigkeiten unter diesem Sammelbegriff zu stellen. Damit konnte der Regierung gezeigt werden, wie wichtig sie sind. In Großbritannien machen die Creative Industries heute 8,8 Prozent der gesamten Wirtschaft aus, über zehn Prozent aller Beschäftigten arbeiten in ihr. Es war sehr sinnvoll, das einmal zu definieren und dann die Frage zu stellen, wie wir es unterstützen und entwickeln können.

Welche Rolle spielt die BBC für die Kreativwirtschaft?

Unsere Ministerin Tessa Jowell hat sie einmal als das Risikokapital der Kreativwirtschaft bezeichnet. Die BBC wird durch Rundfunkgebühren finanziert, sie ist eine unschätzbare Finanzierungsquelle, um kreatives Talent zu entwickeln.
Inwiefern?

Ohne die BBC hätten viele unserer besten Autoren, Schauspieler, Produzenten, Kameramänner, Journalisten nicht die Chance ihre Qualitäten am Karrierebeginn zu entwickeln. Nur ein aktuelles Beispiel: Es gibt seit kurzem eine Quote bei der BBC, wonach mindestens 25 Prozent, unter Umständen 50 Prozent der Aufträge an kleine unabhängige Unternehmen gehen müssen. Das ist für die Entwicklung einer entsprechenden Produktionslandschaft natürlich überaus wichtig.

Die BBC ist eine altehrwürdige, sehr respektierte Institution, Was hat sich in jüngster Zeit verändert?

Neben der erwähnten Quote gibt es nun auch einen geographischen Ansatz: Die BBC arbeitet hart daran, Produktionszentren in Schottland, Wales und im Nordwesten Englands zu errichten, damit das Geld nicht nur in London liegt und sich auch nicht nur dort Talente entwickeln können, sondern überall im Land. Das ist enorm wichtig.

Ebenfalls ganz wichtig: Die BBC hat bereits zu einem Zeitpunkt massiv ins Internet investiert, als das viele andere Rundfunkunternehmen noch nicht getan haben. Als Resultat ist BBC Online heute weltweit eine extrem starke Marke. Das war eine sehr clevere Entscheidung, von der die BBC heute genauso profitiert wie die Kreativen des Landes.
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Das Thema der Technologiegespräche im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach lautet "Vertrauen in der Krise - Zukunft gestalten". Ein von der arge creativ wirtschaft austria veranstalteter Arbeitskreis widmete sich dem Thema "Creative Industries vs. Old Economy: Wohin steuert die Wirtschaft?". Ruth Mackenzie war Teilnehmerin des Arbeitskreises.
->   Technologiegespräche 2009
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Was ist das Hauptresultat der Studie, an der Sie gerade für die britische Regierung mitgeschrieben haben?

In "Digital Britain" versuchen wir ein Szenario zu entwickeln, wie Großbritannien in zehn Jahren aussehen wird. Und wir geben Ratschläge, was die Regierung machen muss, um diese Ziele zu erreichen. Die vielleicht wichtigste Idee lautet "universelle Dienstleistungsverpflichtung". Das klingt langweilig, bedeutet aber, dass die Regierung allen Häusern des Landes einen Breitbandanschluss verspricht. Das ist der Beginn jener Infrastruktur, die wir brauchen, um in zehn Jahren weltweit führend zu sein - wir brauchen sie als Staatsbürger, aber auch für Unternehmen und Kreative.

Geht es in dem Papier nur um Infrastruktur?

Nein, wir machen auch inhaltliche Vorschläge. Es gibt viele kleine und eher technische. Eine Idee liegt mir aber besonders am Herzen: Die Bereitstellung von einer kleinen Summe öffentlichen Gelds, um auf lokaler Ebene neue Gruppen von Menschen einzurichten, die lokale Nachrichten produzieren. Ziel ist es, dass es für jeden Menschen, gleichgültig wo er oder sie wohnt, immer mindestens zwei Quellen von Nachrichten gibt, um nicht von einer abhängig zu sein. Die Pluralität von Nachrichten war immer schon sehr wichtig in Großbritannien.
Wenn Sie nicht die britische Regierung beraten würden, sondern die österreichische, welche Ratschläge würden Sie dann geben?

Hier in Österreich bin ich sehr beeindruckt von der Entwicklung der Kreativwirtschaft. Es ist aufregend, den Start des Netzwerkprozesses von creativwirtschaft.at zu beobachten, der die Vertreter der Branche zusammenbringt. Das Netzwerk macht alle stärker als sie es individuell wären. Das finde ich brillant. Ich möchte aber noch etwas zu den Festwochen in Wien sagen, weil ich eine große Verehrerin der Arbeit von Luc Bondy bin, ich arbeite auch für ihn als Beraterin. Mein Hauptratschlag an Österreich wäre deshalb auch: Unterstützen und genießen Sie das Kulturleben, das Sie haben, darunter auch die Festwochen!

Sie finden also, dass die Produkte der österreichischen Kreativwirtschaft, die bisweilen einen sehr alten Ursprung haben ...

... noch immer sehr kreativ und innovativ sind, ja. Und sie sind auch weltweit führend.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 29.8.09
->   Digital Britain
->   Creativwirtschaft.at
Aktuelles zu den Alpbacher Technologiegesprächen 2009:
->   Computer verändern unser Gehirn
->   Die Zukunft der Stammzellforschung
->   Forschungsbudget: Zehn Jahre per Gesetz
->   Rudolf Burger: "Ich frage mich, warum man Rankings machen soll"
->   Kreativität: "Man muss Gelegenheit für offene Lösungen geben"
 
 
 
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01.01.2010