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Trendwende im arktischen Klima
Neue Belege für den menschlichen Einfluss
 
  In der Arktis wird es immer wärmer. Eine neue multidisziplinäre Studie zeigt, dass die Temperaturen erst vor etwa hundert Jahren relativ plötzlich zu steigen begannen, nach einer etwa 2.000-jährigen Phase der Abkühlung.  
Für ein internationales Forscherteam ein klarer Beleg dafür, dass der Klimawandel in der Arktis tatsächlich vom Menschen gemacht ist.
Spuren der Klimaveränderung
 
Bild: Darell Kaufmann

Analyse der Sedimentschichten in arktischem See

Dass es in der Arktis vor der Erwärmung im letzten Jahrhundert über einen längeren Zeitraum vermutlich immer kühler geworden war, galt schon länger als sicher. Detaillierte Daten gab es allerdings nur für die letzten 400 Jahre.

Um die arktischen Temperaturen weiter zurück zu verfolgen, haben die Wissenschaftler rund um Darrell Kaufman von der University of Northern Arizona nun fünf Jahre lange sämtliche verfügbaren natürlichen Spuren untersucht (Abstract der Studie in "Science").
2.000-jährige Temperaturkurve
Sie analysierten Sedimentschichten in den arktischen Seen: Mineralische Überreste von Algen liefern Einblicke in die Dauer vergangener Wachstumsperioden. Außerdem verursachen wärmere Sommer infolge des Schmelzwassers dickere Sedimentschichten.

Diese Ergebnisse wurden mit Analysen von Eisbohrkernen und Baumringen abgeglichen. Ein letzter Abgleich erfolgte mit Hilfe computerbasierter Simulationsberechnungen. So gelang es den Forschern nach und nach, die klimatischen Veränderungen der letzten 2.000 Jahre nachzuvollziehen.
Stetige Abkühlung
Dabei zeigte sich, dass in diesem Zeitraum tatsächlich eine stetige Abkühlung erfolgt war, die bis zur industriellen Revolution andauerte. Die Sommertemperaturen sanken damals durchschnittlich um 0,2 Grad Celsius per Millennium. Das führte laut Kaufman auch zu der kleinen Eiszeit, die etwa 1850 endete.

Die Forscher vermuten, dass dieser Trend durch eine Verschiebung der Erdachse ausgelöst wurde. Dadurch habe sich der Abstand zur Sonne während des arktischen Sommers vergrößert, die Sonneneinstrahlung verringerte sich.
Entfernung zur Sonne steigt
Man nimmt an, dass derartige Verschiebungen in regelmäßigen Abständen stattfinden. In der Folge habe sich der Zeitpunkt, an dem die Arktis der Sonne am nächsten ist, in den letzten 7.000 Jahren von September in den Jänner verschoben.

Diese kosmischen Randbedingungen haben sich laut den Wissenschaftlern in den letzten hundert Jahren nicht geändert, das heißt, eigentlich hätte sich der Temperaturrückgang noch für weitere 4.000 Jahre fortsetzen müssen.
Plötzliche Trendwende
 
Bild: Darrell Kaufman

Arktischer See umgeben von weitgehend eisfreien Bergen

Dennoch: Plötzlich - ungefähr zu Beginn des 20. Jahrhunderts - kam es zur Trendwende in der Temperaturkurve. "Die Sonnenenergie sank weiter ab, aber die Temperaturen stiegen in einem vorher nicht gekannten Ausmaß", so Nicholas McKay, Koautor der Studie. Vor fünfzig Jahren waren sie demnach etwa 0,7 Grad Celsius höher als sie gemäß des Trends hätten sein sollen.

Und die Entwicklung habe sich noch beschleunigt. Das letzte Jahrzehnt war laut der Studie das wärmste seit mindestens 2.000 Jahren, nämlich um etwa 1,4 Grad Celsius über der berechneten natürlichen Temperaturkurve.

Treibhausgase sind die wahrscheinlichste Ursache des - gemessen an der tausendjährigen Entwicklungsgeschichte - immer rasanteren Temperaturanstiegs. "Die Arktis ist offenbar extrem empfindlich gegenüber menschlichen Einflüssen. Das legt zumindest die Studie nahe", so McKay.
Noch größerer Temperaturanstieg befürchtet
Schon frühere Studien hatten gezeigt, dass die Erwärmung der Arktis im 20. Jahrhundert drei Mal so schnell war als auf der restlichen nördlichen Hemisphäre. Man spricht dabei von der "arktischen Verstärkung". Grund für dieses Phänomen: Die Arktis absorbiert zunehmend die Wärme der Sonne, einerseits durch das wachsende "dunkle" - nicht vereiste - Land und die aufgrund der Schmelze größer werdenden Meeresfläche.

Laut den Forschern lässt sich schon jetzt mit ziemlicher Sicherheit vorhersagen, dass sich dieser Trend noch weiter verstärken wird. Jedenfalls sei mit der Studie die Annahme, dass der Mensch das Klima der Erde bereits heute signifikant verändert hat, mehr als deutlich bestätigt.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 4.9.09
->   Darrell Kaufman
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01.01.2010