News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 
Magnetismus: Monopole existieren doch  
  In Physikerträumen spielen "Monopole", die Elementarträger des Magnetismus, seit Jahr und Tag eine höchst prominente Rolle. Aber in der wirklichen Welt ließen sie sich bislang nicht blicken. Zwei Experimente nahe dem absoluten Nullpunkt hauchen den Monopolen nun erstmals Leben ein.  
Prognosen ohne Nachweis
Wer schon einmal einen Haftmagneten an die Kühlschranktür geklebt hat, weiß: Magneten haben immer einen Nord- und einen Südpol. Das ändert sich auch nicht, wenn man sie in zwei Stücke zerbricht. Dann entsteht nämlich sofort einer neuer Dipol, die Dualität des Magnetismus ist offenbar unempfindlich gegenüber Teilungen, selbst wenn man sie beliebig oft fortsetzt.

Ad infinitum? Nein, sagen die Theoretiker, irgendwann muss das Spiel doch ein Ende haben. Die Antwort der Experimentalphysiker lautete jedoch bislang immer: Mag sein, nur hat noch niemand einen isolierten Nord- oder Südpol nachgewiesen. Solche Monopole mag es in der Theorie geben, ob sie auch in der wirklichen Welt existieren, lässt sich nicht entscheiden.

Zwei aktuelle Studien aus dem Fachblatt "Science" bieten nun erstmals eine deutlich optimistischere Antwort an. Ein Team um Jonathan Morris vom Berliner Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie hat Versuche mit Kristallen aus Dysprosium-Titanat durchgeführt und dabei eine alte Idee bestätigt, die auf den britischen Physiker Paul Dirac zurückgeht. Er hatte einst berechnet, dass Monopole an den Endpunkten schlauchartiger Gebilde vorliegen müssten (heute "Dirac-Strings" genannt), die das magnetische Feld tragen.
"Spin-Spaghetti"
Bild: Helmholtz-Zentrum Berlin f¿r Materialien und Energie
"Spin-Spaghetti" im Dysprosium-Titanat
Morris und seine Mitarbeiter kühlten das Dysprosium-Titanat zunächst fast bis zum absoluten Nullpunkt. Bei so niedrigen Temperaturen liegt das Material als sogenanntes Spin-Eis vor, in dem sich der Magnetismus laut Theorie so verhält, wie Protonen im Wassereis. Das Spin-Eis besitzt, das wusste man schon bisher, eine tetraedrische Kristallstruktur, wenn auch keine perfekte.

Denn bisweilen stören thermische Einflusse die kristalline Ordnung und führen zu Fehlern im Material. Im Fall des Dysprosium-Titanats trennen die Materialfehler offenbar Dipole voneinander - und machen wiederum die Elementarträger des Magnetismus, die Monopole, sichtbar.

Zumindest indirekt sichtbar: Morris und Co. schossen Neutronen, die selbst ein magnetisches Moment tragen, auf die Proben und fanden im Streuungsmuster derselben Hinweise auf Spaghetti-förmige Strukturen, durch die der magnetische Fluss transportiert wird (Science, online).

Ein zweites Experiment (Science, online) kommt mit einer anderen Methodik zu einem ganz ähnlichen Ergebnis, was den britischen Materialwissenschaftler Steve Bramwell zu folgendem Kommentar veranlasst: Die Indizien dafür, "dass es Monopole tatsächlich gibt, sind nun überwältigend".
Neue Sachlichkeit im Teilchenzoo
Für diese Deutung spricht auch, dass sie ein wenig mehr Übersicht in den dicht bevölkerten Kosmos physikalischer Teilchen und Kräfte bringt. Dass Elektrizität und Magnetismus zwei eng verwandte Naturerscheinungen sind, weiß man beispielsweise schon seit dem 19. Jahrhundert. Aber die Erklärungen, warum nur erstere Elementarteilchen (Elektronen) besitzen sollte, letztere aber nicht, rochen ein wenig nach Willkür.

Im Rahmen der "Grand unification theory" (GUT), der Vereinheitlichung von Elektromagnetismus, starker und schwacher Kernkraft, fügen sich die neuen Ergebnisse indes äußerst zwanglos ins Theoriengebäude. GUT-Theoretiker sagen schon seit Jahren die Existenz eines magnetischen Elementarteilchens voraus. Das Spin-Eis aus Berlin gibt ihnen nun recht.

Robert Czepel, science.ORF.at, 8.9.09
->   Jonathan Morris
->   Magnetischer Monopol - Wikipedia
->   Spin-Eis - Wikipedia
Mehr zu diesem Thema:
->   Ultrakalte Atome ohne Mini-Supernova
->   Der kleinste Laser der Welt
->   Shakespeare für die Quantenwelt
->   Physiker beschreiben unsichtbare Pforte
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010