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D: NS-Urteile gegen "Kriegsverräter" aufgehoben  
  64 Jahre nach Kriegsende hat der Deutsche Bundestag "Kriegsverräter"-Urteile aus der NS-Zeit aufgehoben. Den entsprechenden Gesetzentwurf nahm das Parlament mit den Stimmen aller Fraktionen an.  
Die NS-Justiz hatte Kritiker zu Unrecht als "Kriegsverräter" verurteilt und damit mundtot gemacht. Über eine Rehabilitierung wurde lange gestritten.
"Ehre und Würde wiederhergestellt"
Die deutsche Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) sagte: "Mit der pauschalen Rehabilitierung sogenannter Kriegsverräter stellen wir die Ehre und Würde einer lange vergessenen Gruppe von Opfern der NS-Justiz wieder her." Das sei auch für die Hinterbliebenen ein wichtiges Zeichen. "Wir erkennen damit den Widerstand der einfachen Soldaten an, denn sie waren am häufigsten Opfer dieser Vorschrift."
Todesstrafe für einfache Soldaten
Mit dem Gesetz zieht der Bundestag die Konsequenz aus neuen Forschungsergebnissen: Im Jahr 2007 hatten die Militärhistoriker Wolfram Wette und Detlef Vogel erstmals eine Studie zu den Urteilen vorgelegt, die im Zweiten Weltkrieg wegen "Kriegsverrat" ergangen sind.

Sie zeigte, dass vor allem einfache Soldaten der Wehrmacht aufgrund dieser Strafvorschrift zum Tode verurteilt wurden. Die Anlässe dafür reichten von politischem Widerstand und der Hilfe für verfolgte Juden über kritische Äußerungen über den Krieg bis hin zu Schwarzmarktgeschäften.
"Verbrecherische Justiz"
Ein verfassungshistorisches Gutachten zeigte zudem, dass die Strafvorschrift "Kriegsverrat" mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar gewesen sei.

Zypries sagte: "Auch wenn vielleicht nicht alle, die wegen Kriegsverrat zum Tode verurteilt wurden, politische Widerstandskämpfer gewesen sind, so waren sie doch alle Opfer einer verbrecherischen Justiz, die zur Aufrechterhaltung des Nazi-Regimes tötete." Diese Urteile könnten "in unserem Rechtsstaat" keinen Bestand haben. Sie müssten deshalb pauschal aufgehoben werden.
Gespräche konnten tödlich sein
Wie viele Menschen von "Kriegsverräter"-Urteilen betroffen waren, ist nicht bekannt. Insgesamt wurden wegen Desertion, "Wehrkraftzersetzung" oder "Kriegsverrats" mehrere zehntausend Todesurteile verhängt. So wurden Menschen beispielsweise allein deshalb wegen "Kriegsverrats" hingerichtet, weil sie mit Kriegsgefangenen gesprochen hatten, wie Forschungen der Uni Freiburg belegen.

Insbesondere die Union hatte Bedenken dagegen geltend gemacht, dass auch "Kriegsverräter" pauschal rehabilitiert werden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass "einzelne Täter" tatsächlich anderen Menschen Schaden zugefügt haben, hieß es. Die Union änderte ihre Meinung jedoch und berief sich auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse.

[science.ORF.at/dpa, 9.9.09]
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01.01.2010